Die ersten Annäherungen zwischen Lutheranern und Reformierten in Europa
Die Reformationen, die lutherische von Martin Luther und die reformierte von Zwingli und Calvin weisen Unterschiede auf. Jede hat ihr eigenes Glaubensbekenntnis (das Augsburger Bekenntnis und die Konfession von La Rochelle). Die Verschiedenheiten betreffen die Christologie, die Prädestination und besonders die Abendmahlslehre. Auch die kirchlichen Organisationen sind unterschiedlich: die Lutheraner haben eine der katholischen nahestehende Organisation beibehalten mit kirchlichen Inspektoren, deren Amt dem der Bischöfe ähnelt. Der erste Versuch, Lutheraner und Reformierte anzunähern wurde von Philippe Melanchthon (1497-1560) unternommen, einem Schüler und Nachfolger von Martin Luther, aber er scheitert.
1871 lässt der Preußenkönig Friedrich-Wilhelm III., ein Calvinist und Witwer einer lutherischen Ehefrau, eine gemeinsame Liturgie für die lutherischen und reformierten Kirchen seines Königreiches erarbeiten. Außerdem kündigt er die Vereinigung der reformierten Gemeinde des Hofes und der Potsdamer Garnison mit der lutherischen Gemeinde der Garnison an. Dieses Beispiel einer Glaubensgemeinschaft wird von anderen Gemeinden in Deutschland nachgeahmt.
Nach dem französisch-preußischen Krieg von 1870 weigern sich mehrere Professoren der theologischen Fakultät von Straßburg, die zur staatlichen Universität gehört, unter der deutschen Vormundschaft zu lehren. Sie gründen 1877 die theologische protestantische Fakultät von Paris für die gemeinsame Ausbildung der lutherischen und reformierten Pfarrer.
Nach dem Ersten Weltkrieg werden weitere vereinigte Kirchen – auf Länder-und Gemeindeebenen – in Deutschland gegründet.
Die Vereinigungen von Lutheranern und Reformierten in Frankreich bis 1973
Im Jahre 1960 anlässlich der Versammlung des Bundes protestantischer Kirchen in Frankreich in Montbéliard entwirft Pastor Casalis den Plan einer vereinigten evangelischen Kirche.
Eine Instanz des Dialogs – die vier Büros – wird zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Frankreichs (EELF), der Reformierten Kirche Frankreichs (ERF) und den beiden Kirchen des Konkordats der Departements Elsass und Mosel geschaffen: der Kirche des Augsburger Bekenntnisses von Elsass-Lothringen (ECAAL) und der Reformierten Kirche von Elsass-Lothringen (ERAL). diese Instanz verfasst 1968 die Thesen von Lyon über die Stellung der Schriften, die Taufe und das Abendmahl und eine Skizze für die Vereinigung der evangelischen Kirchen. Aber der Prozess kommt nicht zum Abschluss.
Dennoch bleibt ein Vorbau davon: 1969 werden die vier Büros zu dem Ständigen Lutherisch-Reformierten Rat (CPLR), einem Begegnungsort der lutherischen und reformierten Kirchen.
Von der Leuenberger Konkordie bis zur Gründung der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs
Im Jahre 1973 erkennen die lutherischen und reformierten Kirchen Europas durch die Leuenberger Konkordie (in der Schweiz in der Nähe von Basel) an, dass sie im Wesentlichen in ihrem Glauben einig sind, und sie bestätigen ihr volle kirchliche Gemeinschaft: ein lutherischer Pfarrer kann in einer reformierten Kirche dienen und umgekehrt, und die Gläubigen können in einer lutherischen ebenso wie in einer reformierten Kirche am Abendmahl teilnehmen. 1973 organisiert der CPLR eine Arbeitsgemeinschaft über die Ausbildung der Pastoren, die Katechese und die Ökumene zwischen den französischen Kirchen, die die Leuenberger Konkordie unterschrieben haben.
Die Gründung von vereinigten Kirchen in Europa, die durch die Konkordie möglich geworden ist, wird in Belgien (1978) und in den Niederlanden (2004) verwirklicht.
Im Jahre 2001 verlang zuerst die Nationalsynode der Reformierten Kirche Frankreichs (ERF), dann die Generalsynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche Frankreichs (EELF) eine größere Sichtbarkeit der Glaubensgemeinschaft der beiden Kirchen.
Im Jahre 2006 nähern sich die beiden Kirchen von Elsass und Mosel (ECAAL und ERAL) einander an, um die Vereinigung der protestantischen Kirchen von Elsass-Lothringen (UEPAL) zu gründen, in der sie die zentralen Funktionen zusammenlegen, wie die Leitung der vereinigten Pastorenschaft, die Vertretung nach außen und die Kommissionen.
Die beiden Gründerkirchen bestehen weiterhin, fügen aber jeweils ihrem Namen das Adjektiv protestantisch hinzu, um EPCAAL und EPRAL zu werden.
Im Jahre 2007 nimmt der Ständige Lutherisch-Reformierte Rat (CPRL) den Namen Protestantisch Lutherisch-Reformierte Glaubensgemeinschaft an.
Im gleichen Jahr versammeln sich die Nationalsynode der Reformierten Kirche Frankreichs (ERF) und die Generalsynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche Frankreichs (EELF) in Sochaux: sie stimmen beide dem Beginn eines Vereinigungsprozesses zu. Ein Fristablauf wird festgelegt.
Es folgt eine lange Redaktionsarbeit der Statuten. Diese werden 2012 von den vereinten Synoden von Belfort angenommen.
Die Ortskirchen ihrerseits passen ihre Statuen an, um ihre Zugehörigkeit zu der neuen Kirche zu bestätigen: der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs – einer lutherischen und reformierten Glaubensgemeinschaft (EPUdF); sie stellen vor ihren Namen den der Vereinigten Protestantischen Kirche.
Die erste Nationalsynode der neuen Kirche findet 2013 in Lyon statt, dort wo sich die erste Synode der ERF 1938 versammelt hatte.
Die Organisation der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs- eine lutherische und reformierte Glaubensgemeinschaft
Die Vereinigte Protestantische Kirche Frankreichs (EPUdF) wird nach dem presbyterialen-synodalen System geleitet. Sie ist in Versammlungen und in auf nationaler, regionaler und örtlicher Ebene gewählten Beiräten strukturiert.
Während der Synoden bestimmen die Vertreter der Ortskirchen – Geistliche und Laien – die Richtlinien für die Kirche.
Die nationale Ebene besteht aus:
- der jährlichen Nationalsynode
- dem Nationalrat, der aus 20 für vier Jahre gewählten Mitgliedern besteht und die Leitung der Kirche zwischen den Nationalsynoden übernimmt,
- der Ämterkommission, die die Geistlichen und Seelsorger anstellt, die eine einzige Körperschaft bilden,
- der nationalen Leitungsgruppe für die Koordinierung der Missionierung und der Ausbildung, für die Jugendnetzwerke, die Kommunikation und die internationalen Beziehungen.
Auf regionaler Ebene besteht weiterhin die Einteilung der ehemaligen Regionen von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Frankreichs (EELF) und der Reformierten Kirche Frankreichs (ERF) mit Ausnahme der lutherischen Region von Montbéliard und der Ostregion der ERF, die sich nach der Gründung der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs (EPUdF) vereinigen.
Auf lokaler Ebene bleiben die Gemeinden der Ortskirchen entweder lutherisch oder reformiert.
Die Vereinigte Protestantische Kirche Frankreichs (EPUdF) zählt in Frankreich außer Elsass und Mosel, 500 Pastoren, 480 Gemeinden mit 1100 Gottesdienstorten und 400 000 Gläubigen.