Der Graveur
Abraham ist der Sohn von Louis Bosse, einem calvinistischen Schneider, der bei Kranenburg im Herzogtum Kleve nahe der holländischen Grenze, in einer heute zu Deutschland gehörenden Gegend, geboren wurde. Er wird in Tours geboren, wo er in einem calvinistischen Milieu aufwächst. Seine Mutter, Marie Martinet, war jedoch katholisch. Nach seiner Heirat 1633 mit Catherine Sarrabat, der Tochter eines Uhrmachers in Tours, lässt er sich in Paris nieder und arbeitet dort bei dem Graveur Melchior Tavernier, der selbst Hugenotte ist. Er wird von Jacques Callot beraten und graviert dessen Portrait. Er schafft ein umfangreiches graphisches Werk (er hat uns mehr als 1500 Graphiken, im Wesentlichen Radierungen, hinterlassen) und drückt sich in allen Kunstgattungen aus : Porträts, Allegorien, Genreszenen, religiöse Szenen, Stiche von Pflanzen für Plantes du Roi (Pflanzen des Königs) genannte Sammlungen. Er überträgt mit Vorliebe Szenen des Evangeliums in die französische Gesellschaft seiner Zeit, wie in den Gleichniszyklen Parabole des vierges sages et des vierges folles (Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen) oder Histoire du Fils prodigue (Geschichte vom verlorenen Sohn).
Die Akademie
Gleich nach der Gründung der Königlichen Akademie für Malerei und Skulptur im Jahr 1648 wird er mit dem Unterricht in Perspektivelehre beauftragt. Sein schwieriger, jähzorniger Charakter führt dazu, dass er aus der Akademie, wo er sich mit Charles Errard, Charles Le Brun, Henri Testelin zerstreitet, ausgeschlossen wird.
Der Theoretiker
Er ist auch ein aktiver Theoretiker und schreibt mehrere Abhandlungen, bei denen er sich an die Perspektivetheorien des Geometers Desargues anlehnt. Die Übersetzung einiger dieser Abhandlungen in zahlreiche Sprachen – noch mitten im 18. Jahrhundert – beweist die Bedeutung, die ihnen zuerkannt wird. Insbesondere seien erwährt : Traité des manières de graver en taille-douce… (1645), Traité des pratiques géométrales et Perspectives enseignées dans l’Académie royale (1665), Le Peintre converty aux précises et universelles règles de son art (1667).