Eine protestantische Ärztin hilft den Juden
Adelaïde Haas wurde am 1.Januar 1906 in Hochwald (Niederrhein) als letztes der sieben Kinder des Pastors Haas geboren. 1910 zog die Familie nach Gebweiler um. Adelaïde studiert in Straßburg Medizin und promoviert 1933 zum Dr. med. Im Elsass gründet sie ein Heim für behinderte Kinder und geht anschließend in die Schweiz,wo sie als Neuropsychiaterin bis 1939 tätig sein wird. Wie viele Elsässer wird sie in die Dordogne evakuiert, danach nach Lannemezan (Hautes-Pyrénées). Sie erbittet einen Passierschein zum Besuch ihrer kranken Mutter in Paris, der ihr aber verweigert wird. Sie fährt trotzdem, wird an der Demarkationslinie verhaftet und zur Identitätskontrolle zum Bahnhof von Bourges gebracht. Auf dem Bahnsteig verteidigt sie auf Deutsch eine jüdische, von den Deutschen misshandelte Familie. Sie kommt ins Gefängnis von Bourges und wird dort Zeugin der ersten Razzias; als “Freundin der Juden” verurteilt man sie, deren Schicksal zu teilen. Als sie ins Lager von Pithiviers und dann von Beaune-la-Rolande kommt, wo die jüdischen Familien untergebracht sind, wird sie als Ärztin tätig und ist beim Abtransport der Juden in unbekannte Richtung dabei. Ab November 1942 wird sie nacheinander in mehrere Lager gebracht und schließlich mit 230 Frauen, meist französischen politischen Häftlingen, nach Auschwitz-Birkenau gebracht.
Sie wird einem “Revier” (Krankenstation) zugeteilt, wo sie ihren Mithäftlingen nützlich sein kann und mehrere rettet, indem sie sie als arbeitsfähig deklariert. Dann wird sie in den Block 10 überstellt, wo sie bei von deutschen Ärzten durchgeführten “medizinischen Experimenten” an jüdischen Frauen helfen soll: Sterilisation und Gebärmutterkrebs. Sie weigert sich und wird direkt ins Lager von Birkenau überstellt, wo sie Typhuskranke, die den Gaskammern geweiht sind, behandeln kann. Später erfährt sie, dass die SS den Befehl hatte, sie in Block 10 zur Exekution zurückzubringen.
Nach der Befreiung des Lagers durch die Sowjets im April 1945 pflegt sie die Kranken weiter und kehrt erst im Juni mit dem letzten Flugzeug, das die Deportierten heimbringt, nach Frankreich zurück. Sie nimmt ihren Beruf als Schulärztin wieder auf. 1945 wird sie mit der Ehrenlegion ausgezeichnet und schreibt ihre Erinnerungen unter dem Titel “Medizin und Verbrechen gegen die Menschlichkeit” auf. Sie kann gegen den Naziarzt Dering aussagen, der für Experimente an mindestens 400 jüdischen Frauen verantwortlich war. Im Mai 1965 erhält sie die Auszeichnung “Gerechte unter den Völkern”. 1988 setzt sie im Alter von 82 Jahren ihrem Leben durch Selbstmord ein Ende.