Gesellschaft für die Geschichte des französischen Protestantismus (Sociéte d'histoire du protestantisme français)
Sobald die protestantische Gemeinschaft ihre Identität wiedererlangt hatte, war es ausgeschlossen, der katholischen Kirche die Geschichtsschreibung zu überlassen. Dies war allerdings im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bei weitem noch gang und gebe. Was las man da nicht alles über Calvin, Coligny, Rohan und viele andere ? Sie wurden als ehrgeizige Politiker hingestellt, deren Haupinteresse es gewesen wäre, die Interessen der Kirche und Frankreichs zu schaden ! Man musste zu den Tatsachen zurück, sich den Wappenspruch der Stadt Genf zu eigen machen : “Post tenebras, lux” (Nach der Dunkelheit Licht).
Die SHPF konstituierte sich also 1852 (auf Anregung von Charles Read und unter Leitung von François Guizot), damit die Geschichte der protestantischen Gemeinschaft Frankreichs “mit Verstand” geschrieben werden konnte. Sie beabsichtigte, alle unveröffentlichten oder gedruckten Dokumente, die für die protestantischen Kirchen im französischen Sprachbereich von Interesse sein könnten, zu suchen, zu sammeln und bekannt zu machen. Sie unterstützte sofort und aktiv das Vorhaben der Brüder Haag, eine Bestandsaufnahme der Protestanten – von der Reformation an – zu machen (France Protestante, 10 Bände mit 47000 Artikeln).
Außer ihrer intensiven Beschäftigung, alle Dokumente und Archive zusammenzutragen- am Ende des 19. Jahrhunderts hatte sie schon 30 000 Bände und 500 Manuskripte für die Bibliothek in der Rue des Saints Pères erworben – trug sie dazu bei, den französischen Protestantismus wirklich sichtbar zu machen, durch allerhand Initiativen die sogenannten “Lieux de mémoire” (Orte der Erinnerung) erneut zum Leben zu erwecken. Sie ermöglichte die Einführung der jährlichen Feier des Reformationstags, die Zusammenkunft im Musée du désert, die Wallfahrt zum Konstanzenturm. Sie veranlasste 1880die Errichtung der Statue von Coligny vor dem Temple de l’Oratoire, einer Pariser Kirche. Sie nahm mit den verschiedenen protestantischen Schwestergesellschaften in den USA und in Deutschland Verbindung auf. Sie stiftete verschiedene Preise.
Die Gesellschaft wurde 1870 als gemeinnützig anerkannt. VonAnfang an veröffentlichte sie ein Nachrichtenblatt, das Bulletin d’histoire. Durch ihre Verbindungen zu verschiedenen Verlagshäusern erleichterte sich ihre Editionsarbeit.
Ihr erster Herausgeber war der Verlag Fischbacher.
Gesellschaft für religiöse Schriften (Sociéte des traités réligieux)
Sie wurde 1822 mit finanzieller Hilfe der gleichnamigen Londoner Gesellschaft gegründet und hatte die Absicht, das “gute Wort Gottes” zu verbreiten, indem sie kleine erbauliche Schriften zu niedrigem Preis verkaufte oder verteilte. Unter den regelmäsßigen Veröffentlichungen findet man 1846 in einer Auflage von 130 000 Exemplaren,1890 in einer Auflage von 261 000 Exemplaren den Almanach des bons Conseils (Der gute Ratgeber)oder L’ami de la jeunesse (Der Jugendfreund). Alexandre Vinet, Adolphe Monod, Napoléon Roussel (1805-1878) sind die Verantwortlichen der ersten Stunde.
Man muss hier auch die Familien- und Schulbücherei ( Bibliothèque des familles et des écoles) erwähnen. Sie hatte ein ähnliches Anliegen und war ein Weerk, das “besonders bei den Bauern und Arbeitern gegen minderwertige Literatur kämpfen wollte”. Sie wollte den Lesern erbauliche, anregende, tröstende, geschichtliche Schriften und gemäßigte Streitschriften zur Verfügung stellen, “damit die Fragen, die die Massen heute beschäftigen, im christlichen Sinne behandelt werden”.
Gesellschaft zur Förderung der Grundschulausbildung unter den Protestanten Frankreichs (Société pour l'encouragement de l'instruction primaire parmi les protestants de France)
Die Gesetze, die die zur Zeit des Ersten Kaiserreichs das öffentliche Schulwesen ins Leben riefen, hatten den Brüdern der Christlichen Schulen die Grundschulausbildung überlassen. Deswegen hatte sich der Wunsch nach einer schulischen Unterweisung, die denAnsprüchen der protestantischen Familien eher entsprach, allmählich breit gemacht. Dies war der Beginn dieser Gesellschaft, die 1829 gegründet wurde, als Cuvier (1769-1832) Direktor der nicht-katholischen Konfessionen im Innenministerium war. Seit1828 bestand in dem protestantischen Gebiet von Dieulefit (Drôme) eine Modellschule. Diese sollte in Aufnahme eines Grundprinzips der Reformation “es jedem Protestanten ermöglichen, das Evangelium zu lesen, darüber nachzudenken und die darin enthaltenen göttlichen Lehren, die erhabenen Wahrheiten selbst zu beurteilen”. Guizot war eines der aktiven Mitglieder des Gründungskommittees und Vorsitzender von 1852-1872. Der erste Vorsitzende war der Marquis de Jaucourt.
Es ist zu vermerken, dass die Gesellschaft auch nach dem Erlass von Gesetzen über das Grundschulwesen von 1833 weiterbestand, obwohl diese von dem Minister für das öffentliche Schulwesen ernannten Guizot angewandt wurden. In Wirklichkeit regelten diese Gesetze nicht alle Fragen.
Während des Zweiten Kaiserreichs und der Dritten Republik setzte sich die Société für die Ausbildung der Mädchen, der Erwachsenen und des Lehrpersonals ein. Ende des 19. Jahrhunderts finanzierte sie 110 Privatschulen.
Gesellschaft für die Sonntagsschulen Frankreichs (Société des Ecoles du Dimanche de France)
1852, ganz zu Beginn des Zweiten Kaiserreichs, einer Zeit, als die protestantischen Kirchen sich als Institution etabliert hatten, wurden auf Anregung von Pfarrer Cook die Ecoles du Dimanche de France, dieSonntagsschulen, gegründet. Ihr Anliegen war natürlich die “Unterweisung der protestantischen Jugend in Gottes Wort”, aber gleichzeitig verfolgte sie ein erzieherisches Ziel. Die Unterrichtsmethode bediente sich des belohnenden Punktesystems und stützte sich auf besondere Lehrmittel – Liedersammlungen, Zeitschriften (Magasin des Ecoles du Dimanche) und illustrierte Blätter. Etwa 140 Unterrichtsorte wurden sofort eingerichtet, davon 13 in Paris. Ihre Zahl wuchs schnell, denn 1880 waren es mehr als 1000. Diese Tätigkeit hat sich bis in unsere Zeit weiterentwickelt. An dieser Stelle muss man den zurückgelegten Weg hervorheben.
Das Beispiel der Kirchenlieder der Sonntagsschulen ist für die Entwicklung bezeichnend. Diejenigen, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geschaffen wurden, verbinden kriegerischen Patriotismus(“dans le drapeau qui frisonne…” “in wehender Flagge…”) mit sittlichem Anliegen (” mon enfant, redoute l’insincérité… ” mein Kind , hüte Dich vor Unehrlichkeit…”) mit Worten, die man heutzutage im Stillen belächelt.
- Die wehende Flagge
In der Flagge, die in den himmlischen Winden weht,
sehe ich das Vaterland persönlich, das zu seinen frommen Söhnen spricht.
Ja, es ist Frankreich.
(sinngemäße Übersetzung)
- Mein Kind hüte dich vor Unehrlickeit
Mein Kind, hüte Dich vor Unehrlichkeit !
Auch wenn es Dir schwer fällt, sprich die Wahrheit !
Mit offenem Blick bewahre Deine Lauterkeit !
Mit reinem Herzen sprich die Wahrheit !
(sinngemäße Übersetzung)
Die Lehrmittel sind natürlich von entscheidender Bedeutung. Auf Anregung der Fédération Protestante de France, der die Gesellschaft angehört,werden sie regelmäßig erneuert.