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Charles Seignobos (1854-1942)

Als wegweisender Vertreter der französischen Historischen Schule verband dieser Protestant wissenschaftliche Strenge mit laizistischer Unparteilichkeit.

Sein Leben

Charles Seignobos (1854-1942) © Wikimedia Commons

Charles Seignobos wurde 1854 in einer protestantisch-republikanischen Familie in Lamastre (Haut-Vivarais) geboren. Er war der Sohn von Charles-André Seignobos, der von 1871 bis 1894 Parlamentsabgeordneter und Bürgermeister von Privas (Ardèche) war. Nach hervorragenden schulischen Leistungen schloß Charles Seignobos die École Normale Supérieure (Höhere Lehrerbildungsanstalt) als Jahrgangsbester im Staatsexamen für Geschichte ab. Daraufhin ging er für zwei Jahre zum Studium nach Deutschland (Göttingen, Berlin, München, Leipzig). Als Assistenzprofessor an der Universität von Dijon legte er 1881 sein Doktorexamen ab und wurde daraufhin an die Sorbonne berufen. Später übernahm er von seinem Vater das Bürgermeisteramt von Lamastre. Während der deutschen Okkupation wurde er in Ploubaslanec (Bretagne) unter Hausarrest gestellt. Dort starb er im April 1942.

Wegbereiter der « methodischen Geschichtsschreibung »

Seignobos war einer der ersten Verfechter der « methodischen Geschichtsschreibung », die auf einer quellenkritischen Analyse von handschriftlichen Dokumenten beruht. Diese historische Arbeitsweise wurde auch von Gabriel Monod befürwortet, der 1876 im « Manifest » der Revue Historique [Historische Zeitschrift] verlangte, wissenschaftliche Strenge mit laizistischer Neutralität zu verbinden. Damit stellte er sich gegen die Revue des Questions historiques [Zeitschrift für historische Fragen], die eine katholische und royalistische Linie verfolgte und der École des Chartes [Hochschule für Archivwesen] nahestand. In seiner « Einführung in die historischen Studien » [Introduction aux études historiques, 1898] definiert Seignobos die vier aufeinanderfolgenden Arbeitsschritte, die jeder Fachhistoriker zu befolgen hat : Dokumentensammlung (Heuristik) ; äußere Beschreibung der Dokumente ; Quellenkritik (Hermeneutik), die das Dokument in seiner Eigenheit erfaßt und festhält, was es an bisher unbekannten Informationen enthält ; Einordnung des Dokuments in seinen größeren zeitgeschichtlichen Zusammenhang.

Diese « positivistische » Methode ließ sich besonders gut auf die diplomatische und politische Ereignisgeschichte anwenden ; der Geschichtsphilosophie stand sie dagegen eher fern. Zusammen mit Ernest Lavisse veröffentlichte Charles Seignobos eine « Geschichte des zeitgenössischen Frankreichs » [Histoire de la France contemporaine]. Für Seignobos geht es nicht darum, eine « positive Wissenschaft der historischen Gesetze » zu entwickeln, sondern darauf hinzuweisen, daß die Geschichtsschreibung – im Unterschied zu den Naturwissenschaften – keine « strenge Wissenschaft » ist, da sie von den persönlichen Einschätzungen und Vorstellungen des Historikers abhängt. Daraus ergibt sich für ihn die Verpflichtung, « die Bedingungen und die Vorgehensweisen, den Charakter und die Grenzen des Wissens » aufzuzeigen und die « rohen » Dokumente stets mit der nötigen Umsicht aufzubereiten.

Entgegen anderslautenden Behauptungen der Historiker der Schule der « Annales » hat Seignobos sehr wohl eine Annäherung der Geschichte an die Sozialwissenschaften befürwortet. In seinem Werk La méthode historique appliquée aux sciences sociales [Die Anwendung der historischen Methode auf die gesellschaftlichen Wissenschaften, 1901] bedauert er, daß sich die Geschichswissenschaft noch zu wenig der Sozialgeschichte und damit den materiellen und spirituellen Lebensgrundlagen (Religionen, Riten, moralische Prinzipien) und dem Privatleben widmet.

Bibliographie

  • Bücher
    • BIZIERE Jean-Maurice et VAYSSIERE Pierre, Histoire et historiens, Hachette, Paris, 1995

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