Die Lutherischen Kirchen : 65 Millionen Personen
Das Luthertum geht auf die Ursprünge der Reformation selbst zurück und beruft sich auf die drei Hauptaussagen der Botschaft Luthers :
- allein die Bibel hat Autorität
- Heil aus Gnaden (und untrennbar damit verbunden, die Rechtfertigung aus Glauben)
- Priestertum aller Heiligen.
Die lutherische Theologie ist im Ereignis des Kreuzes begründet : dort begegnet die Menschheit Gott selbst, in der Not des gekreuzigten Christus, der freiwillig bis in die Abgründe der menschlichen Verzweiflung herabgestiegen ist. Seitdem ist der Mensch « gleichzeitig Sünder und Begnadigter ». Durch seine Begegnung mit Gott grundlegend verändert, von der Angst der Einsamkeit und dem Grauen der Hoffnungslosigkeit befreit, kann er sich anderen gegenüber öffnen und ihnen dienen. Wenn sich die lutherische Theologie auch auf die « Zwei-Reiche-Lehre » (zeitlich und geistlich) beruft, bewertet sie die Geschichte und die Welt als Orte, an denen Gott die Menschen dazu beruft, sich zu engagieren.
Im Lutherischen Weltbund vereinigt, leben die Lutherischen Kirchen in Kirchengemeinschaft. Sie sind aber unterschiedlich strukturiert : einige, vor allem in Skandinavien, haben ein bischöfliches System. Andere, wie in Frankreich, haben ein presbyteral-synodales System, wiederum andere sind durch Zwischenformen zwischen episkopal und presbyteral-synodal strukturiert.
Die Reformierten Kirchen : 50 Millionen Personen
Die Reformierten Kirchen berufen sich ebenfalls auf Luther, aber auch auf andere Reformatoren, wie Johannes Calvin, Ulrich Zwingli oder Théodore de Bèze. Die reformierte Theologie betont besonders die Allmacht Gottes. Diese verringert nicht die Freiheit und die Verantwortlichkeit des Christen, im Gegenteil : Der Christ hat durch Jesus Christus die Heilsgewissheit empfangen und wird dadurch noch freier, sein Leben auf anspruchsvolle und verantwortliche Weise zu führen, indem er seine persönliche Heiligung mit seinem Eintreten in der Gesellschaft gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt verbindet. Die Transzendenz Gottes umfasst gleichzeitig die Relativisierung aller menschlichen Macht, ob sie religiös oder politisch sei.
Die meisten der Reformierten Kirchen gehören der Reformierten Allianz an. Sie berufen sich nicht auf ein einziges Glaubensbekenntnis : jede Kirche entscheidet, wie sie ihren Glauben in ihrer Aktualität und in ihrem Kontext ausdrückt. Dieses Akzeptieren der Unterschiede ist zugleich die Sorge der Reformietrten, eine wirkliche theologische Pluralität zu ermöglichen.
Normalerweise sind die Reformierten Kirchen nach dem presbyteral-synodalen System organisiert, Laienräte in den Ortskirchen und regelmässige Synodalversammlungen.
Seit 1973 sind die Reformierten und die Lutheraner in Europa durch die « Leuenberger Konkordie »in voller Kirchengemeinschaft.
Die Evangelikalen Kirchen : 500 Millionen Personen
Die Evangelikalen Kirchen gehen auf verschiedene evangelisch reformatorische Bewegungen des 16.Jahrhunderts, besonders auf Wiedertäufer, zurück.
Im Grossen und Ganzen ist diesen Kirche zu eigen, dass sie nur Mitglieder anerkennen, die ein Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus abgeben und die, durch die Bitte, getauft zu werden, einen freiwilligen und persönlichen Busse- und Glaubensakt ablegen. Aus diesem Grund praktizieren die Evangelikalen Kirchen keine Kindertaufe. Sie sind Bekenntniskirchen, die sich in diesem Punkt von den multitudinalen Kirchen unterscheiden. Darübe hinas berufen sich die Evangelikalen Kirchen auf die grossen Hauptaussagen der Reformation, besonders auf das Heil aus Gnade, im Glauben empfangen, und « sola scriptura » : als von Gott inspiriertes Wort ist die Schrift die einzige und ausreichende Autorität in theologischer Hinsicht.
Seit dem Beginn ihrer Existenz haben die Evangelikalen Kirchen sich energisch für die Trennung von Kirchen und Staat ausgesprochen. Für sie ist die Evangelisierung genauso wichtig wie das soziale Handeln : jede Kirche hat die Aufgabe, die Orte zu erkennen, die Zeugnis und Dienst brauchen und ein diakonisches Amt erfordern.
Die Evangelikalen Kirchen können nach unterschiedlichen Grundsätzen organisiert sein (kongregationalistisch, presbyteral-synodal, etc.).
Die Anglikanischen Kirchen : 70 Millionen Personen
Der Anglikanismus geht auf das 16.Jahrhundert zurück und versteht sich als ein Zwischenweg zwischen katholischem und reformiertem Glauben. Die Liturgie wurde 1549 im Book of Common Prayer festgelegt und die Kirchenordnung in den 39 Artikeln (1571) und im Quadrilater von Lambeth (1888).
Die Kirche von England ist eine Staatskirche, der König ist das Oberhaupt der Kirche und das Parlament hat ein Veto-Recht über die Synodenentscheidungen. Aber nach und nach nimmt die Kirche Abstand vom Staat.
Die Anglikanischen Kirchen haben eine episkopale Struktur und berufen sich auf die apostolische Nachfolge.
Der Anglikanismus hat sich in der Welt vor allem in ehemaligen britischen Kolonien verbreitet. Die Anglikanische Kommunion umfasst alle Anglikanischen Kirchen des Erzbischofs von Canterbury. Jede Kirche hat ihre eigene Kirchenregierung. Alle 10 Jahre versammeln sich alle Bischöfe auf der Konferenz von Lambeth. Und die Bischöfe der einzelnen Kirchen treffen sich regelmässig im Primatkommittee, um sich über Fragen, die sich in ihrer Kiche stellen, auszutauschen.
Die Pfingstkirchen : 200 Millionen Personen
Die Pfingstbewegung ist aus spezifischen Erweckungsbewegungen zu Beginn des 20.Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten (unter dem Einfluss der Pfarrer Charles Parham und William Seymour), in Indien und in Wales (unter dem Einfluss von Evan Roberts) entstanden. Die ersten Pfingstler wollten zu den Ursprüngen der Alten Kirche zurückkommen und die Erfahrung der apostolischen Zeit erleben, im besonderen den Tag von Pfingsten.
Die theologische Eigenart der Pfingstler ist es, zu glauben, dass zusätzlich zur Gegenwart des Heiligen Geistes jeder Gläubige durch eine neue Geburt mit einer besonderen Kraft ausgestattet wird, dies nennt man Taufe mit dem Heiligen Geist. Dieser gibt dem Gläubigen besondere Talente, wie In-Zungen-Reden, Prophezeien oder Göttlich-Heilen-Können. Diese Geistesgaben (oder Charismen) sind im ersten Korintherbrief aufgezählt.
Die Pfingstkirchen bezeugen das « Evangelium der vier Winkel » : Jesus rettet, tauft, heilt, kommt wieder. Im übrigen berufen sie sich auf die evangelikal- und baptistisch- evangelische Tradition und die grossen Hauptaussagen der Reformation : Heil aus Gnaden, die Bibel als einzige Autorität, Priestertum aller Heiligen.
Vom ekklesiologischen Standpunkt aus gesehen sind die Pfingstkirchen oft kongregationalistisch, aber manche können auch presbyteral-synodal oder episkopal sein.
Der Ökumenische Rat der Kirchen
Man kann die Ursprünge der modernen ökumenischen Bewegung bis ans Ende des 19. / Anfang des 20.Jahrhunderts verfolgen. In der Tat, seit dieser Zeit beteten und arbeiteten Christen zusammen, über die konfessionellen Grenzen hinweg. Und Vorreiter dieser Bewegung organisierten sich seit Ende der 20-er Jahre, um die Einheit der Kirche in der Welt zu bezeugen.
Darum entscheiden Kirchenverantwortliche 1937, einen ökumenischen Kirchenrat zu bilden. Aber der Zweite Weltkrieg brach aus und die offizielle Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) wurde bis August 1948 verzögert. Seine erste Versammlung in Amsterdam vereinigte Vertreter von 147 Kirchen.
Seitdem haben sich Kirchen aller Kontinente in der Suche nach den christlichen Einheit versammelt. Sie haben neue Brücken über alte Trennungsgräben gebaut. Unter seinen Mitgliedern zählt der ÖRK heute fast alle Orthodoxen Kirchen, viele auf die Reformation zurückgehende historische Evangelische Kirchen – Anglikanische, Baptistische, Lutherische, Methodistische, Reformierte Kirchen – und eine grosse Vielfalt Unierter und Freier Kirchen.
Die grösste christliche Kirche der Welt – die Römisch-Katholische Kirche – ist nicht Mitglied des ÖRK, arbeitet aber seit über 30 Jahren in enger Zusammenarbeit mit ihm und sendet Delegierte zu allen grossen Konferenzen des ÖRK, zu den Sitzungen des Zentralkommittees und zu seinen Versammlungen. Der Pontifikalrat für die Einheit der Christen entsendet zwölf Delegierte zur Kommissison « Glauben und Kirchenverfassung » des ÖRK und erarbeitet gemeinsam mit dieser Kommission das Material der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, das sich an die Ortsgemeinden wendet.
Der ÖRK hat keineswegs das Ziel, eine Super-Welt-Kirche zu gründen oder die Ausdrucksformen des Glaubens zu vereinheitlichen. Er versucht, die Kommunion, die zwischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften besteht, zu vertiefen, so dass jede Kirche in einer anderen Kirche den authentischen Ausdruck der « einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche » sehen kann. Dann wird es also möglich, gemeinsam den apostolischen Glauben zu bekennen, in der Mission und im Dienst am anderen zusammenzuarbeiten und, manchmal sogar, die Sakramente zu teilen. All diese gemeinsamen Aktionen konkretisieren die Charta des ÖRK, die bezeugt, dass der Herr Jesus Christus « Gott und Retter nach den Schriften” ist.