Die Bestellung der Pfarrer
Eine gute Ausbildung und die richtige Auswahl ihrer Pfarrer ist eines der Hauptanliegen der reformierten Kirchen im 17. Jahrhundert. Von den Pfarramtsbewerbern wird eine gründliche Ausbildung, wenn möglich an einer der reformierten Akademien, verlangt. In einem dreijährigen Theologiestudium lernen sie Hebräisch, Griechisch und machen sich mit der dogmatischen Theologie vertraut. Die Prüfung der Kandidaten erfolgt durch die Provinzialsynoden oder, genauer gesagt, durch eine Kommission von sieben Prüfern, die von den einzelnen Synoden bestimmt werden. Diese Prüfer haben das Niveau der Kenntnisse und die “Reinheit der Lehre” zu prüfen. Zuvor hat man sich bereits der “Sittenreinheit” der Bewerber vergewissert.
Hat der Bewerber die Prüfung bestanden, so wird er von der Synode einer Kirche in der betreffenden Provinz, in der eine Pfarrstelle vakant ist, vorgeschlagen ; die Entscheidung darüber, ob er genommen wird oder nicht, liegt jedoch bei der Gemeinde. Der Bewerber predigt an drei aufeinander folgenden Sonntagen vor den Gläubigen. Werden keine Einwände erhoben, ist der Pfarrer gewählt, und seine Wahl wird mit einer Ordinationsfeier bestätigt. In den meisten Fällen bleibt der Pfarrer in derselben Pfarrgemeinde bis zum Ende seiner Pfarrtätigkeit. Seine Tätigkeit endet erst mit seinem Tod, oder wenn ihn die Kräfte verlassen.
Die Aufgaben eines Pfarrers
Im Gegensatz zum Priester hat der protestantische Pfarrer keine sakrale Funktion. Er ist nicht ein Mann des Ritus sondern ein Mann des Worts. Seine Aufgabe ist es, Gottes Wort zu verkünden. Deswegen ist auch die theologische und biblische Ausbildung des Pfarrers so wichtig.
Die vornehmliche Aufgabe des Pfarrers ist somit die Predigt, und die Vorbereitung mehrerer Predigten pro Woche nimmt den größten Teil seiner Zeit in Anspruch.
Ab 1660 muss der Pfarrer auf jedes einzelne Wort seiner Predigt achten, denn es nehmen Katholiken am Gottesdienst teil, um ihn zu überwachen, und der geringste Vorwand reicht für einen Prozess oder um die Kirche zu schließen.
Die zweite Aufgabe des Pfarrers ist der Katechismus. Im Gottesdienst am Sonntagnachmittag, an dem Kinder wie Erwachsene teilnehmen, benutzt der Pfarrer den Katechismus von Calvin oder einen anderen, vor allem den von Charles Drelincourt. Die Pfarrer machen nur wenige Besuche, es sei denn bei Kranken und Trauernden. Besuche sind mehr Sache der Ältesten im Konsistorium, die zusammen mit dem Pfarrer über den Lebenswandel der Gläubigen wachen.
Der Pfarrer im 17. Jahrhundert ist vor allem ein Mann des Studiums. Er verbringt die meiste Zeit in seinem Studierzimmer mit der Vorbereitung seiner Predigten oder der Abfassung von Antworten auf die Kontroverse mit den Katholiken.
Die materielle Lage der Pfarrer
Das Edikt von Nantes bestimmt, dass der Unterhalt des Pfarrers aus der königlichen Kasse zu bestreiten ist (als Ausgleich für den von den Protestanten an den Klerus zu entrichtenden Zehnten), aber Ludwig XIII. macht dieser kostspieligen Verpflichtung ein Ende. Nunmehr müssen die Kirchen für ihre Pfarrer aufkommen. Die Besoldung der Pfarrer ist je nach Region, Pfarrei oder Zeit unterschiedlich. Am besten bezahlt sind die Pfarrer in Charenton. Der Pfarrer erhält ferner eine Wohnung für sich und seine Familie, es wird für die Heizung gesorgt, und man kommt für seine Reisen in die Pfarrnebenstellen (soweit es solche gibt) oder zu den Synoden und Kolloquien auf.
Leider bezahlen die Gemeinden ihre Pfarrer nur sehr unregelmäßig. Dies geht aus den zahlreichen Beschwerden hervor, die diesbezüglich auf den Kolloquien und Synoden vorgetragen werden. Wer nur seine Besoldung zum Leben hat, hat Mühe, damit über die Runden zu kommen.
Im 17. Jahrhundert stammen die Pfarrer jedoch oft aus gut situierten Familien und verfügen über einiges Vermögen und Einkünfte, was ihnen eine gewisse Wohlhabenheit sichert. Zudem heiraten sie häufig eine Tochter aus gutem Hause, die eine ansehnliche Mitgift mitbringt.
In der Tat zögern die Adels- und Bürgerfamilien nach dem Erlass des Edikts von Nantes nicht, manche ihrer Söhne zum Pfarramt zu ermuntern, das damals ein geachteter, angesehener Beruf war.
Der Alltag des Pfarrers
Im 17. Jahrhundert ist der Pfarrer ein Gelehrter. Zusätzlich zu seinem Theologiestudium verfügt er über gute Allgemeinkenntnisse und verfolgt die Entwicklung auf intellektuellem Gebiet. Dies bezeugen die bedeutenden Bibliotheken der Pfarrer und die Anzahl der von Pfarrern veröffentlichten Bücher. Der Pfarrer ist verheiratet und wacht über die Erziehung seiner Kinder, und dies ganz besonders, wenn einer seiner Söhne für das Pfarramt bestimmt ist. Es gibt zahlreiche Pfarrerdynastien, wie die Familien Fontaine, Claude, Daillé, Dumoulin, Drelincourt usw.
Die Pfarrer werden oft wegen ihrer Konversation geschätzt und vom ortsansässigen Adel – vor allem, wenn er reformierter Konfession ist – und vom Bürgertum eingeladen.
In der ersten Hälfte des Jahrhunderts unterhalten manche Pfarrer sogar ein gutes Verhältnis zum katholischen Klerus. Pfarrer Amyraut diniert beim Bischof von Chartres und wird in Saumur mehrmals vom Erzbischof von Paris besucht. Wobei jedoch anzumerken ist, dass er vor allem als Professor für Theologie an der Akademie Saumur bekannt war. Dennoch ist er kein Einzelfall.
Ab 1660 ändert sich dies völlig. Pfarrer werden als Verdächtige behandelt. Ihre geringsten Worte oder Gesten werden überwacht. Alles kann als Vorwand für einen Prozess oder die Schließung der Kirchen dienen. Mehrere Dutzend Pfarrer emigrieren, als ihre Gemeinden auf königliche Anordnung geschlossen werden, in die Schweiz oder nach Holland.
Die Pfarrer und die Aufhebung des Edikts von Nantes
Das Edikt von Fontainebleau stellt die Pfarrer vor die Wahl, entweder ihrem Glauben abzuschwören oder auszuwandern. Von den insgesamt 700 reformierten Pfarrern, die es 1685 gibt, schwören 140 ab. Die meisten jedoch verlassen Frankreich und üben das Pfarramt in ihrem Zufluchtsland weiter aus.
Manche von ihnen stehen mit ihrer alten Gemeinde im Briefwechsel oder veröffentlichen Faszikel oder Bücher, die an ihre ehemaligen, in Frankreich gebliebenen Gläubigen gerichtet sind, und ganz besonders “Gebete für Gemeinden ohne Pfarrer”.
Die größte Verbreitung finden die Pastoralbriefe von Pierre Jurieu (von 1686 bis 1689).
In diesen Briefen von etwa zehn Seiten, die alle 14 Tage an die in Frankreich Zurückgebliebenen geschickt werden, bietet Pierre Jurieu eine Mischung von traditioneller Kontroverse, Trostworten, Beispielen heldenhaften Widerstands und Ermahnungen. Er setzt die kleine reformierte Herde ohne Pfarrer und Kirche mit dem Volk Israel in der Verbannung gleich, wie es das Alte Testament erzählt. Er richtet seine Briefe an die “Gläubigen, die in der Babylonischen Gefangenschaft schmachten”.