Profane und religiöse Dichtung im 16. Jahrhundert
Mehrere protestantisch erzogene Dichter wie Guillaume Du Bartas (1544-1590), Jean de Sponde (1557-1595) und vor allem Clément Marot (1496-1544) gehören zur sehr fruchtbaren Generation von Hofdichtern, die sich im intellektuellen Kreis um Marguerite de Navarre bewegen. Sobald sich die Reformation in Frankreich ansiedelt, bezeugen sie jedoch eine echt religiöse Inspiration und das Bedürfnis, ihren Glauben trotz der Schwierigkeiten, die das ihnen eintragen kann, auszudrücken. Die Übertragung des Psalmen durch Clément Marot und Théodore de Bèze ist dafür ein bemerkenswertes Beispiel.
Die Schrecken der Religionskriege inspirierten einen genialen Dichter, nämlich Agrippa d’Aubigné (1552-1630). Ein Mensch der Renaissance wegen seiner vielseitigen Talente und Mann der Reformation auf Grund seines Glaubens und seiner Strenge entwirft er mit 26 Jahren ein nicht einzuordnendes Werk ‘Les Tragiques’, das sowohl Epos, Satire und mystische Dichtung ist und durch seinen Umfang das ganze literarische Schaffen der Zeit dominiert.
An der Schwelle des 17. Jahrhunderts leistet Olivier de Serres (1539-1619), der sich bereits zu einem so frühen Zeitpunkt für Ökologie begeistert, einen protestantischen Beitrag zu den Humanwissenschaften mit seiner Abhandlung Théâtre d’agriculture et mesnage des champs.
Das 17. Jahrhundert : die Zeit des Edikts von Nantes und dessen Widerrufung
Drei bekannte Verfasser von Memoiren sind bezeichnend für das Ende des 16. und den Beginn des 17. Jahrhunderts : François de La Noue (1531-1591), ein großer Kapitän, der in seinen Discours politiques et militaires die Ereignisse schildert, die er erlebt hat, um ihnen eine moralische Lehre abzugewinnen ; lMaximilien de Béthune, Duc de Sully (1560-1641), Gefährte und Minister von Henri IV, dessen Memoiren den Titel Économie royale tragen ; und Henri de Rohan, General und Chef der protestantischen Partei nach Admiral von Coligny.
Unter den Verfassern von Memoiren ist auch Gédéon Tallemant des Réaux (1619-1690) zu nennen, dessen Historiettes sein Talent als Erzähler bezeugen und die Gesellschaft seiner Zeit mit Farbe und Realismus darstellen.
Mit der sich nähernden Widerrufung und den Verfolgungen, denen die Protestanten ausgesetzt sind, werden ihre seltenen Veröffentlichungen, wenn nicht ganz versiegen, so doch langsam abnehmen.
Das 18. Jahrhundert
Nach der Widerrufung und während des ganzen 18. Jahrhunderts wird der protestantische Einfluss von den Ländern des Refuge ausgehend ausgeübt.
Die in den Niederlanden gedruckte Literatur der Dissidenten gelangt heimlich nach Frankreich. Es sind hauptsächlich die Schriften zweier großer Persönlichkeiten, Pierre Jurieu (1637-1713) und Pierre Bayle (1647-1706). Pierre Jurieu – ein großer Verfechter des Rechts der Nationen – ist vor allem bekannt wegen seiner pastoralen Briefe, Lettres pastorales aux fidèles qui gémissent sous la captivité de Babylone (1686-1689). Pierre Bayle, Theologe und Philosoph, ist bekannt, weil er für Gewissensfreiheit und gegen Intoleranz und Dogmatismus kämpfte. Er ist der Verfasser des berühmten Dictionnaire historique et critique (1696-1697), das den Weg für die Philosophie des Aufklärung bereitet.
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), geboren in Genf, hugenottische Vorfahren und calvinistische Erziehung, war immer ein typisch protestantischer Denker. Seine wesentlichen religiösen Überzeugungen finden sich in der Profession de foi du vicaire savoyard, im 7. Buch von l’Émile, wo er sich zum Apologeten einer Religion des Herzens macht. In den Lettres écrites de la montagne entwickelt er den Gedanken der freien Gewissensprüfung, der dem protestantischen Partikularismus so lieb und teuer ist.
Das 19. Jahrhundert
Vom Ende des 18. Jahrhunderts an machen zwei Persönlichkeiten, Germaine de Staël (1766-1817) und Benjamin Constant (1767-1830) in ihrer politischen Botschaft den calvinistischen Respekt vor der individuellen Freiheit deutlich und werden zum Sprachrohr des Widerstands gegen die absolute Macht. Adolphe – der Held des berühmten Romans Benjamin Constants weist eine Form von Hellsichtigkeit und Tugend auf, die man der protestantischen Erziehung seines Verfassers zuschreiben kann.
Zu nennen ist auch François Guizot (1787-1874),Politiker und Historiker, Verfechter eines liberalen monarchischen Systems, der vor allem bekannt wurde durch das Gesetz über die Freiheit und Organisation des Grundschulwesens (Gesetz Guizot, 1833).
Das 20. Jahrhundert
Das 20. Jahrhundert ist reich an Schriftstellern, die von ihrer protestantischen Erziehung geprägt sind oder ihre Verbundenheit mit dem protestantischen Glauben bezeugen. Es ist unmöglich, hier eine vollständige Liste aufzustellen. Einige Namen sollen jedoch genannt werden : Pierre Loti (1850-1923) und Jacques Chardonne (1884-1968).
André Gide (1869-1951), der im protestantischen Glauben erzogen wurde, ist einer der großen Romanciers der ersten Hälfte des Jahrhunderts. In vielen seiner Romane und Essays bezeugt er die unauslöschbaren Spuren des Kalvinismus.
Mit dem Schriftsteller Jean Schlumberger (1877-1968), Guizots Urenkel, gründete er die Nouvelle Revue française.
Unter den zahlreichen Philosophen, Historikern, zeitgenössischen Romanciers kann man André Chamson (1900-1983) erwähnen, dessen Romanwerk sich durch Wortgewalt und Herzenswärme auszeichnet ; Roland Barthes (1915-1980), Kritiker und Semiologe, dessen Einfluss auf dem Gebiet des Denkens und der Literaturkritik beträchtlich war ; und schließlich den Philosophen und großen christlichen Denker Paul Ricœur (1913-2005).