Reform der religiösen Musik
Am Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die religiöse Musik in der katholischen Kirche auf Latein im Chorraum von Mönchen gesungen. Die Reformatoren wollten dem Volk die Musik zurückgeben, d.h. die ganze Gemeinde singen lassen, auch die Frauen.
Im Kirchengesang sollte viel verändert werden, sowohl bezüglich des Textes als auch der Musik.
Um die Gemeinde der Gläubigen singen zu lassen, braucht man Lieder in der Sprache des Volkes. Man muss also die Texte übersetzen, aber auch adaptieren, damit sie singbar werden. Man entscheidet sich dazu, sie in Verse zu setzen.
Die Texte sind entweder Adaptationen von Bibelpsalmen oder von der Bibel beeinflusste Neukompositionen.
Die Musik
Aufgrund des Gemeindegesangs muss auf die zu dieser Zeit sehr beliebte Vielstimmigkeit verzichtet werden. Man braucht Unisonogesang mit einer einzigen Note pro Silbe. Und die Melodie muss die rythmischen Sprachakzente berücksichtigen.
Die Fortschritte im Buchdruck haben dazu beigetragen, dass dieses neue Musikrepertoire schnell gedruckt und verbreitet werden konnte. Wenn auch nicht alle Gläubigen lesen bzw. Noten lesen konnten, so dienten ihnen die neuen Psalter doch dazu, das neue Repertoire schnell zu erlernen.
Das Repertoire ist je nach Reformationszweig unterschiedlich.
Bei den Lutheranern
Luther liebte Musik und hat selber komponiert. So war die lutherische Reformation sehr aufnahmefähig für Musik.
Für Luther « verkündigt Gott das Evangelium auch durch die Musik », Evangelium, d.h. das in Jesus-Christus fleischgewordene Wort. Luther will Christus in die Mitte des Gottesdienstes stellen, darum lässt er Gesänge komponieren, die die Inkarnation, das Kreuz und die Auferstehung verkünden. Dies sind die lutherischen Choräle.
Die Texte sind in Strophen aufgeteilt. Sie werden zuerst ein-, dann vierstimmig gesungen.
Die Entstehung von Chorälen entwickelt sich. Der berühmteste Choral ist : « Ein feste Burg », dessen Text und Melodie von Luther stammen.
In der lutherischen Kirche sind weder die Orgel, noch andere Musikinstrumente oder professionelle Chöre verschwunden. Dies hat im 17. und 18. Jahrhundert (Schütz, Bach, etc…) ein sehr reiches Werk der Kirchenmusik ermöglicht. Bach erfand keine Melodien, sondern nahm die Choräle aus seinen Passionsoratorien und versah sie mit einer Begleitung.
Im reformierten Zweig
Die Reformierten sind in der Musikreform weiter gegangen, indem sie alles, was an die Beherrschung der Kirchenmusik durch den Klerus erinnern konnte, verbannt haben. Sie schaffen Chor und Orgel ab.
Der Gesang der Gläubigen ist a capella, d.h. ohne Begleitinstrument und einstimmig. Das reformierte Repertoire ist der Psalmengesang.
Warum die Psalmen und nur die Psalmen ?
Weil die Psalmen von Gott gegeben wurden. Es ist, als ob Gott sie in den Mund der Gläubigen legte, damit sie zu seiner Ehre singen.
Und auch weil im reformierten Gottesdienst die Ehre Gottes im Zentrum steht (soli deo gloria) – die Psalmen passen also sehr gut – während der lutherische auf Jesus Christus ausgerichtete Gottesdienst neue Gesänge, die Choräle, erschaffen muss.
Während seines Aufenthalts in Straßburg bei Martin Bucer entdeckt Calvin die auf Deutsch von der Gemeinde gesungenen Psalmen. Luther hat als erster die Idee gehabt, die Psalmen auf Deutsch in Verse und Strophen zu setzen. Martin Bucer in Straßburg nimmt diese Idee für den gesamtem Psalter auf. Da entdeckt Calvin sie anlässlich seines Besuchs in Straßburg. Er lässt sich davon inspirieren und überträgt großen Dichtern (Clément Marot und Théodore de Bèze) und richtigen Musikern die Aufgabe, den Psalter in Verse und Musik zu fassen, was zum Genfer Psalter führt.
Es hat andere Psalter gegeben, die von Lausanne, Basel und Mühlhausen, aber der von Genf ist aufgrund seiner poetischen und musikalischen Qualitäten der bekannteste.
Da es keine Instrumente für die Gesangsleitung gab, hat Calvin ein spezifisches Amt eingeführt : das des Kantors ; einer der berühmtesten ist Loys Bourgeois.
Am Ende des 16. Jahrhunderts hat sich zum Privatgebrauch im Familienkreis der drei- oder vierstimmige Psalmengesang eingebürgert, Claude Goudimel und Claude Lejeune sind die wichtigsten Musiker für die Harmonisierung der Psalmen.
Aber die musikalische Schaffenszeit der Reformierten hört Ende des 16. Jahrhunderts praktisch auf.