In Frankreich ist die Begeisterung groß
Die französische Geistlichkeit feiert den Tag der Widerrufung mit öffentlichen Danksagungen. In seiner Leichenpredigt für den 1685 gestorbenen Kanzler Michel Le Tellier ruft Bossuet am 25. Januar 1686 aus : « Lasst unseren Jubel bis zum Himmel dringen, und sagen wir diesem neuen Konstantin, diesem neuen Theodosius, diesem neuen Marcius, diesem neuen Karl dem Großen (…) : Ihr habt den Glauben gefestigt ; Ihr habt die Ketzer ausgelöscht, das ist das würdige Werk Eurer Herrschaft » [« Poussons jusqu’au ciel nos acclamations et disons à ce nouveau Constantin, à ce nouveau Théodose, à ce nouveau Mercien, à ce nouveau Charlemagne (…) : Vous avez affermi la foi ; vous avez exterminé les hérétiques, c’est le digne ouvrage de votre règne »].
Madame de Sévigné schreibt an ihren Cousin Bussy-Rabutin am 28. Oktober 1685 : « Sie haben sicher das Edikt gesehen, mit dem der König das von Nantes widerruft. Nichts ist so schön wie all das, was es enthält, und nie hat ein König etwas Denkwürdigeres getan und wird es auch nicht » [« Vous avez vu sans doute l’édit par lequel le roi révoque celui de Nantes. Rien n’est plus beau que tout ce qu’il contient, et jamais aucun roi n’a fait et ne fera de plus mémorable »].
Bei all diesen Lobesgesängen raten jedoch auch einige Stimmen zur Zurückhaltung und Mäßigung, wie der Jansenist Arnault in einem Brief an Monsieur du Vaucel vom 13. Dezember 1685 : « Ich glaube, es war richtig, kein Volksfest für die Widerrufung des Edikts von Nantes und die Konvertierung so vieler Ketzer abzuhalten ; denn da man etwas gewaltsame Wege beschritten hat, was ich jedoch nicht für unpassend halte, ist es besser, wenn man nicht triumphiert » [« Je pense qu’on n’a pas mal fait de ne point faire de réjouissances publiques pour la révocation de l’Édit de Nantes et la conversion de tant d’hérétiques ; car comme on y a employé des voies un peu violentes, quoique, je ne le croie pas injustes, il est mieux de ne pas en triompher »].
Die einzigen kritischen Stimmen sind die des Marschalls Vauban (1689) und, viele Jahre später, die des Herzogs von Saint-Simon. Den Plan, die konfessionelle Einheit Frankreichs zu herbeizuführen, findet Vauban legitim, aber er benennt auch klar die Nachteile, die dieses Vorhaben dem Staat eingebracht hat.
Vaubans Denkschrift zur Rückrufung der Hugenotten
Seit 1684 Gouverneur von Lille und 1688 zum Generalleutnant ernannt, verfasst Vauban eine Denkschrift zur Rückrufung der Hugenotten, die er 1689 an den Kriegsminister Louvois adressiert.
In ihr listet er die zahlreichen Nachteile auf, die die Widerrufung dem Staat gebracht hat. 80.000 bis 100.000 Personen jeglichen Standes haben laut Vauban Frankreich verlassen :
- Sie haben mehr als 30 Millionen Pfund Münzgeld mitgenommen.
- « Sie haben unsere Künste und insbesondere Manufakturen, die im Ausland meist unbekannt waren und Frankreich aus allen Landstrichen Europas viel Geld einbrachten, geschwächt ».
- Ihre Abwanderung hat weite Teile des Handels ruiniert.
- Sie haben die feindlichen Flotten mit 8.000 bis 9.000 Matrosen, « den besten des Königreichs », verstärkt.
- Sie haben ihre Armeen um 500 bis 600 Offiziere und 10.000 bis 12.00 Soldaten verstärkt, die kampferfahrener als ihre eigenen sind, « wie es sich nur allzu sehr bei den Gelegenheiten, in denen sie uns gegenüberstanden », gezeigt hat. Was diejenigen, die im Königreich geblieben sind, angeht, « so kann man nicht wirklich sagen, ob es einen einzigen wahrhaft Konvertierten gibt », da oft jene, von denen man annahm, dass sie es seien, desertiert haben und ausgewandert sind.
Vauban bedauert nicht nur den Aufbruch der Industriellen, der Geschäftsleute und der Handwerker, sondern auch den zahlreicher Intellektueller : « Viele gute Schriftsteller, die das Königreich verlassen haben (…), wüten schrecklich gegen Frankreich und die Person des Königs selbst » [« Quantités de bonnes plumes qui ont déserté le Royaume (…) se sont cruellement déchaîné contre la France et la personne du Roi même »].
Vauban befürchtete, wie übrigens auch andere, dass die Auswanderung nicht nur einen Verlust für Frankreich, sondern auch einen Gewinn für seine Feinde darstellte.
Auf protestantischer Seite
Die Veröffentlichung des Edikts von Fontainebleau macht den Dragonaden kein Ende : diese gehen mit unverminderter Gewalt bis 1686 weiter. Die Protestanten werden durch diese Welle von Brutalität in Angst und Schrecken versetzt. In ihrer Angst stellen sich schließlich einige die Frage, ob es sich nicht um eine göttliche Strafe handelt.
Die Missionen der Dragoner sind von Erfolg gekrönt : zahlreiche Protestanten schwören ab. Das sind die ‚Neukonvertierten’.
Im Languedoc, den Cevennen und dem Dauphiné lösen die angekündigte Ankunft der Dragoner und die Berichte über ihre Grausamkeiten Panik aus und führen zu kollektiven Bekehrungen, lange bevor die Dragoner tatsächlich eingetroffen sind.
Viele Protestanten entscheiden sich trotz des Verbots, das Land zu verlassen. Man spricht von bis zu 200.000 Personen, die aus Frankreich in die protestantischen Länder des europäischen Refuge flüchten.
Unter den Emigranten sind viele, die die Widerrufung als vorübergehend ansehen und eine baldige Rückkehr ins Auge fassen. Diese Hoffnung schwindet mit dem Frieden von Rijswijk (1697) und besonders mit dem Frieden von Utrecht (1713).
Im Ausland
Dem König werden zahlreiche diplomatische Protestnoten vorgelegt, und frankreichfeindliche Pamphlete zirkulieren in den Ländern des Refuge, insbesondere in Holland.
Die protestantischen Fürsten Europas zeigen sich über das Schicksal der Hugenotten empört. In Brandenburg zögert der Große Kurfürst nicht, mit Ludwig XIV. zu brechen.
In England hat die Widerrufung sicher die Thronbesteigung des Prinzen von Oranien zu Beginn der Glorreichen Revolution begünstigt, in deren Verlauf der Katholik James II. abgesetzt wurde. Sein unnachgiebiger Absolutismus ließ die politischen Führer ein heimliches Einvernehmen mit Ludwig XIV. zur Ausrottung des Protestantismus befürchten.
Sogar das katholische Österreich verurteilte die in Frankreich angewandten Methoden.
Wenn auch der Papst in Rom (glaubt man seinem Nuntius Ranuzzi) dem König « für sein großes Werk » seinen Segen erteilt, so lehnt er doch die Anwendung von Gewalt bei der Bekehrung ab.