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Die Religion der « Wüste » (1715-1787)

Die Protestanten, die nach dem Widerruf des Edikts von Nantes nicht ins Exil gehen wollten, mußten in die katholische Kirche übertreten. Ein großer Teil dieser « Neukatholiken » (oder « Neukonvertierten ») blieb jedoch dem alten Glauben treu. Sie lasen heimlich in der Bibel, sangen im Familienkreise die gewohnten Psalmen und gingen zu den geheimen Versammlungen der « Wüste ».

Von den Propheten zu den Pastoren : die Reform von Antoine Court

« Wüste »: Versammlung von Protestanten in Lecques bei Nîmes © S.H.P.F.

Am Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete sich im Dauphiné (und seit Anfang des 18. Jahrhunderts auch in den Cevennen) eine prophetische Bewegung unter der protestantischen Bevölkerung. Die Propheten riefen ihre neugierigen Zuhörer dazu auf, die katholischen Zeremonien zu meiden und zur reformierten Praxis zurückzukehren. Ihre verzückten Predigten trugen zum Ausbruch des Kamisarden-Aufstandes bei.

Ab 1715 schaffte es Antoine Court unter Mithilfe mehrerer Prediger, die religiöse Praxis in der “Wüste” zu regeln und die Propheten zum Schweigen zu bringen. Er führte die reformierte Kirchenordnung aus der Zeit vor 1685 wieder ein, wobei er sie den veränderten Umständen anpaßte : den Ältesten wurde aufgetragen, auf einen geregelten Ablauf der Versammlungen zu achten ; die Anwärter auf das Pastorenamt mußten auf ihre Eignung geprüft und neue Pastoren mußten ausgebildet werden.

In der “Wüste” wurden Provinzial- und später auch Nationalsynoden abgehalten. Die als “national” bezeichneten Synoden vereinigten allerdings anfänglich nur Gemeindevertreter einiger benachbarter Provinzen ; erst nach und nach kamen auch weiter entfernte Provinzen dazu. Diese Synoden stellten die Regeln auf, die bei der heimlichen Ausübung der Religion zu befolgen waren.

Die Pastoren wurden von den Synoden bestätigt und einer bestimmten Anzahl von Untergrundgemeinden zugewiesen. Sie legten auf ihren Rundreisen zu den Gläubigen oft weite Entfernungen zurück, wobei sie sich ständig verstecken mußten. Bis Anfang der 1760er Jahre übten sie ihr Amt unter Lebensgefahr aus.

Um diese neuen Pastoren auszubilden, hatte Antoine Court 1726 in der Schweiz das Predigerseminar von Lausanne gegründet. Die Ausbildung war der Arbeit im Untergrund angepaßt und erfolgte in schnellem Durchlauf : das Studium dauerte zunächst nur ein Jahr, später dann zwei Jahre. Die Anstalt wurde durch Kollekten aus anderen protestantischen Ländern finanziert.

Auch wenn es hin und wieder Zeiten gab, in denen die Verfolgungen nachließen, so kam es erst zu Beginn der 1760er Jahre zu einer anhaltenden Beruhigung der Lage der Protestanten. Zuvor sahen sich die Gläubigen dazu gezwungen, besondere Sachen für den heimlichen Gebrauch zu erfinden : etwa winzigkleine Bibeln, die im Haarknoten der Frauen versteckt werden konnten, oder auseinander zu nehmende Predigtkanzeln, deren Einzelteile getrennt zu den Versammlungen transportiert, dort zusammengesetzt und danach wieder abgebaut und weggeschafft wurden.

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