Ausbildung
Nach der Kindheit in Colmar geht Bartholdi nach Paris, wo ein Teil seiner Familie wohnt, um seine Ausbildung am Lycée Louis-le-Grand weiterzuführen. Er denkt an eine Architektenkarriere, bevor er sich der Malerei zuwendet. In der Ecole des Beaux-Arts besucht er das Atelier von Ary Scheffer (1795-1858), der ihm zur Skulptur rät. Diese Kunst studiert er in der Werkstatt von Jean-François Soitoux (1816-1891). Schon 1854 entwickelt Bartholdi im Rahmen eines Wettbewerbs der Stadt Colmar ein Projekt für eine monumentale Statue des aus Colmar gebürtigen Generals Rapp (1771-1821). Sein Projekt gewinnt den Preis und seine Skulptur wird 1855 bei der Pariser Weltausstellung ausgestellt. 1856 wird sie in Colmar aufgerichtet, wo sie groβen Erfolg hat.
Zur selben Zeit unternimmt er mit dem Maler Jean-Léon Gérôme eine Reise nach Ägypten und bereist dann allein den Jemen und Äthiopien. Er kehrt mit zahlreichen Zeichnungen und Fotografien zurück, die für seine späteren Werke von Bedeutung sind. Die art colossal dieser Länder hat es ihm besonders angetan und wirkt sich auf seine Projekte aus. Er plant einen Leuchtturm als monumentale Skulptur am Eingang des Suez-Kanals. 1869 unterbreitet er dieses Projekt Ferdinand de Lesseps, leider ohne Erfolg.
Ein offizieller Auftrag
Im Zweiten Kaiserreich und der Dritten Republik werden viele Städte um- und neugebaut, dabei erhält Bartholdi viele Aufträge und schafft zahllose monumentale Statuen, darunter:
- eine Statue des Generals Arrighi de Casanova (1868) in Corte (Korsika),
- ein Denkmal für Vauban (1871) in Avallon (Yonne)
- das Projekt eines Reiterstandbildes von Vercingetorix (1870, die Statue wird erst um 1900 gegossen) in Clermont-Ferrand (Puy-de-Dôme),
- ein Standbild von Rouget de Lisle (1879) in Lons-le-Saunier (Jura),
- ein Standbild Diderots (1884) in Langres (Haute-Marne),
- eine Gruppe mit Washington und La Fayette (1892) in Paris.
Private Aufträge
Bartholdi führt auch zahllose private Aufträge besonders für Grabdenkmäler aus (Grab für Emile Hubner auf dem Friedhof von Muhlhouse (Elsaβ), 1890). Zwei evangelische Kirchen werden von ihm mit ausgestaltet:
- in Boston zeichnet er ein Projekt, das Taufe, Kommunion, Ehe und Grablegung darstellt; dieses Relief wird von italienischen Bildhauern auf dem oberen Teil des Glockenturms der Ersten Baptisten Kirche ausgeführt,
- in Boissy-Saint-Léger (Val-de-Marne) dekoriert er 1874 den Tympanon über dem Eingang zur Kirche: Ein Hochreflief stellt Glaube und Hoffnung dar.
Der Architekt Bartholdi
Bartholdi beschränkt sich nicht auf die Bildhauerei, er schlägt der Stadt Marseille 1859 das architektonische und städtebauliche Projekt eines Wasserturms und Museums vor. Sein Projekt wird offiziell angenommen, aber nach einem Wechsel der Amtsinhaber an den Architekten Espérandieu vergeben. Dieser baut Bartholdis Projekt für das Palais Longchamp so genau nach, dass der Bildhauer einen Prozess gegen die Stadt anstrengt, den er nach langen Jahren gewinnt.
Ein kämpferischer Künstler nach der Annexion des Elsass
Als der Krieg von 1870 ausbricht, tritt Bartholdi in die Nationalgarde ein. Er leistet seinen Dienst zunächst in Colmar als Aide-de-camp bei Garibaldi, dem Chef der „Armée des Vosges“. Die Annexion des Elsass durch Deutschland veranlasst ihn zu vielen Denkmälern, die einen groβen Teil seines Gesamtwerkes ausmachen:
- dem Grabmal der Nationalgarden in Colmar (Haut-Rhin),
- der Verwünschung des Elsass (Silbergruppe, Geschenk an Gambetta 1872),
- der Schweiz, wie sie die Schmerzen Straβburgs bei der Belagerung von 1870 lindert, für Basel 1895.
Zur Erinnerung an den heroischen Widerstand von Belfort (Territoire de Belfort) im Krieg von 1870/71 schlägt er der Stadt ein monumentales, in die Zitadelle eingelassenes Denkmal vor: 22 Meter lang und 11 Meter hoch aus dem roten Sandstein der Vogesen gehauen stellt es einen verwundeten Löwen dar, der wütend brüllt. Ein kleineres Modell des Löwen von Belfort wurde in Bronze gegossen und in der Mitte des Platzes Denfert-Rochereau in Paris aufgestellt (1880 eingeweiht). Schlieβlich schuf er das Monument für die Ballonfahrer während der Belagerung von Paris, den berühmten „Ballon des Ternes“, der 1942 von den Deutschen eingeschmolzen wurde.
Die Freiheitsstatue
Nach dem Krieg von 1870/71 reist Bartholdi in die Vereinigten Staaten mit der Absicht, eine Statue zur Feier der amerikanischen Unabhängigkeit zu schaffen. Am 21. Juni 1871 stellt er sich bei der Einfahrt in die Bucht von New York eine kolossale Statue am Eingang des Hafens vor: Die Freiheit erleuchtet die Welt. Dieses Werk ist direkt von dem für Suez ausgearbeiteten Projekt inspiriert. Bartholdi entwirft mit Hilfe Gustav Eiffels ein Trägersystem aus Stahl, auf das Kupferplatten montiert werden; die Statue ist 33 Meter hoch und steht auf einem 34 Meter hohen Sockel. Sie wird in Paris hergestellt und 1886 in New York eingeweiht; sie bringt ihrem Schöpfer die Ehrenbürgerschaft von New York ein.
Diese Statue findet rasch weltweite Anerkennung und viele Nachbildungen in unterschiedlichen Dimensionen, die bekannteste schmückt seit 1885 das Westende der Schwaneninsel (Pont de Grenelle) in Paris. Die jüngste wurde 2004 am Nordeingang von Colmar aus Anlass des hundertsten Todestages von Bartholdi errichtet.
Mit seiner patriotischen Begeisterung und dem Sinn fürs Monumentale hat Bartholdi die Tradition der öffentlichen Denkmäler kraftvoll erneuert.
Das Geburtshaus von Bartholdi in Colmar wurde 1904 in ein Museum umgebaut und zeigt die vielfältigen Aspekte seines Werkes als Bildhauer, Architekt, Maler und Zeichner.