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Germaine von Staël (1766-1817)

Germaine von Staël, von schwärmerischer Empfindsamkeit, ist eine der großen literarischen Figuren der Vorromantik. Ihre politischen Stellungnahmen führen sie mehrmals ins Exil auf das Gut ihres Vaters in Coppet (bei Genf) und in mehrere europäische Städte. Die Geschichte der Ideen von 1780 bis 1817 findet sich in ihren Werken.

Ihre Jugend

Madame de Staël (1766-1817) © Collection Château de Coppet

Germaine von Staël wird 1766 in Paris geboren. Sie ist die Tochter des reichen protestantischen Bankiers Jacques Necker, dessen verfolgte Vorfahren gezwungen waren, nach Deutschland und dann nach Genf auszusiedeln, und der Suzanne Curchod, der Tochter eines reformierten Pfarrers aus dem Kanton Wallis. Ihre Eltern werden von einer Religion getragen, die nicht aufhört, sie im Lauf der Jahre immer stärker zu prägen. Sie werden niemals die Distanz verwischen, die sie von der in ihren Augen so frivolen französischen Gesellschaft trennt. Ihre Religion, ihre protestantische Moral zeichnen sie aus.

Frau Necker lehnt ein Schattendasein und Mittelmäßigkeit ab. Als Frau der Aufklärung führt sie ihre Tochter Germaine in ihren sehr einflussreichen Salon ein.

Dort wird über Philosophie und Politik gesprochen. „In ihre Tugend gekleidet, mit dem Schild ihres Glaubens bewaffnet“ empfängt sie auch gern Enzyklopädisten wie Diderot. Dort treffen sich Buffon, Marmontel, Grimm, Edward Gibbon, der Abt Raynal und Jean-François de la Harpe usw., die ihren Mann aktiv unterstützen. Die Landsleute von Necker sind davon überzeugt, dass ihm in Frankreich eine schöne Zukunft blüht: drei Mal Minister unter Ludwig XVIII.

Mit 15 Jahren (im Jahre 1780) liest Germaine Rousseau mit Leidenschaft, kommentiert Montesquieu, diskutiert mit Marmontel, Grimm, Raynal und ist vom Geist der Aufklärung durchdrungen. Ihre Ideen sind die des 18. Jahrhunderts, das an den Menschen glaubt. Ihr Liberalismus ist voller Begeisterung. Der Individualismus entspricht ganz ihrer Natur. Sie glaubt an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. Sie nimmt die Französische Revolution freudig an. „Oh Franzosen!“, ruft sie eines Tages aus, „wenn die Begeisterung auf eurem Boden eines Tages erlöschen sollte …, ließet ihr nur die Spur von Sandströmen zurück … dürr wie die Wüste.“

Ihre Eheschließungen und das ungezügelte Leben von Germaine Necker

Benjamin Constant (1767-1830)

Sie fügt sich dem Willen ihrer Eltern und heiratet 1786 einen Protestanten, den Baron Erik Magnus von Staël-Holstein, Botschafter des schwedischen Königs Gustav II. am französischen Hof in Versailles, der 17 Jahre älter ist als sie.

Die Hochzeit findet am 17. Januar 1786 in der lutherischen Kapelle der schwedischen Botschaft statt. Sie unterhält eine stürmische Beziehung zu Benjamin Constant, einem französisch-waadtländischen Schriftsteller und Politiker, der selbst Protestant ist und den sie 1794 getroffen hat. Aus dieser Vereinigung geht 1797 Albertine hervor. Germaine führt weiterhin ein ungezügeltes Gefühlsleben und bringt Auguste, Sohn des Grafen Louis von Narbonne, zur Welt. Germaine von Staël trennt sich 1800 von ihrem Mann. Sie wird 1802 Witwe und heiratet 1811 wieder und zwar einen jungen Genfer Offizier, Albert von Rocca, der 22 Jahre jünger ist als sie.

Ihr Salon

Nach dem Vorbild ihrer Mutter eröffnet sie 1792 einen Salon im Hotel von Schweden, rue du Bac, wo sie die Vertreter einer neuen Generation empfängt (unter ihnen La Fayette, Noailles, Clermont-Tonnerre, Condorcet), die Ideen einer konstitutionellen Monarchie vertreten. Sie wird als gefürchtete Gegnerin von Napoleon Bonaparte betrachtet und muss mehrmals nach Coppet in die Schweiz zu ihrem Vater flüchten trotz des Diplomatenstatus ihres Mannes.

Ihre vom Protestantismus stark geprägte christliche Philosophie

Von ihren Eltern im Protestantismus des 18. Jahrhunderts erzogen, tolerant und den Ideen der Aufklärung nahestehend, betont Germaine von Staël die Moral und die Offenbarung des „Höchsten Wesens“. „Die christliche Religion, die philosophischste von allen, ist ihr zufolge diejenige, die am meisten den Menschen sich selbst ausliefert“ im Hinblick auf den Gedanken an den Tod.

Als Deistin neigt sie zu einem sehr heterodoxen, von Dogmen befreiten Christentum der Vernunft und nicht des Glaubens. Dem gibt sie im Jahre 1800 Ausdruck in Die Literatur und in Delphine (1802). In Coppet vertraut sie jedoch ihre Kinder Albertine und Auguste dem Pfarrer Jean-Isaac Cellérier (1753-1844) an, einem der Vorläufer der Erweckungsbewegung in Genf.

Ich halte an unserer Religion fest, an der meines Vaters und meiner Mutter, und mein Sohn soll davon nicht ferngehalten werden.“ Nach der Schreckensherrschaft (1792-1793) träumt sie von einer Religion, die dieselbe für alle sein soll, und möchte, dass der Protestantismus als offizielle Religion Frankreichs anerkannt wird.

Später, zwischen 1811 und 1813, mitten in einer mystischen Phase, schreibt sie in ihrem Buch über Deutschland, dass sie an eine ständige Offenbarung dieses Gottes glaubt, an jene innere Stimme, die sie in ihrer schwärmerischen Seele erkennt, eine innere Stimme, die eine ewige Verbindung zwischen ihr und Gott aufrecht erhält. Ihre ältere Tochter Albertine heiratet 1817, im selben Jahr, in dem ihre Mutter stirbt. Für den jungen Auguste stürzen seine Welt und Familie ein. Er wird ersucht, dem Komitee der Bibelgesellschaft in Paris beizutreten. Darin geht er ganz auf, bevor er bis zu seinem Tod 1827 die Sklaverei bekämpft.

Das literarische Werk der Germaine von Staël

Ihr literarischer und intellektueller Ruf bestätigt sich in drei philosophischen Essays: Briefe über die Werke und den Charakter von Jean-Jacques Rousseau (1788); Von dem Einfluss der Leidenschaften auf das Glück des Individuums und der Nationen (1796); Von der Literatur, betrachtet in ihren Beziehungen zu den sozialen Einrichtungen (1809).

In ihrem Roman Delphine (1802) spricht sie die politischen und sozialen Fragen ihrer Zeit an, die Liebe zu England zur damaligen Zeit, die Überlegenheit des Protestantismus gegenüber dem Katholizismus, die unglückliche Lage der Frauen, zu der sie ihre Stellung in der patriarchalischen Familie verurteilt.

Erste Verbannungen nach Coppet aufgrund ihrer politischen Stellungnahmen

Nachdem sie aus ihrem Salon ab 1802 ein Zentrum des Widerstandes gegen Napoleon Bonaparte gemacht hat, wird ihr der Aufenthalt auf französischem Boden unter dem Konsulat und dem Empire von Napoleon Bonaparte untersagt, der sie als ein Hindernis für seine Politik betrachtet. Die regelmäßigen Besucher ihres Salons sind Benjamin Constant, August Wilhelm von Schlegel, Sabran, Sismondi, Bonstetten, die Barone von Voigt, von Balk u.a.m. Jedes Jahr kommen Mathieu von Montmorency, Prosper von Barante, Prinz August von Preußen, Frau Récamier usw. wieder dort zusammen. Sie lässt sich in der Schweiz nieder auf dem Familiengut von Coppet, das als Haupttreffpunkt für ihre Gruppe dient, die von Coppet genannt wird. Im Jahre 1805, an jenem einzigen Ort, an dem sie im Europa Napoleons leben kann, beginnt sie den Roman Corinna oder Italien, in dem die Heldin auf der Suche nach ihrer Unabhängigkeit an eben dieser Suche stirbt. Der junge François Guizot besucht ihren Salon in Genf von 1808 an. Er ist 21 Jahre alt.  

Sie bahnt der französischen Romantik den Weg, indem sie in Frankreich nach einer Europareise die Werke der Philosophen und Dichter deutscher Sprache in ihrem Buch Über Deutschland (1811-1813) bekannt macht. Darin zeichnet sie ein sentimentales und naives Deutschland, ein Bild, das das ganze 19. Jahrhundert lang einen großen Einfluss auf den Blick hat, den die Franzosen auf Deutschland werfen. Sie drückt Hass auf Napoleon aus, der das 1814 in Frankreich veröffentlichte Werk beschlagnahmen lässt. Sie unternimmt auch eine Reise nach Italien am Ende desselben Jahres. Man muss, sagt sie, den „europäischen Geist“ haben

Ihre Rückkehr nach Paris unter Ludwig XVIII.

Im Jahre 1814 begegnet sie in London dem künftigen Ludwig XVIII., in dem sie einen Herrscher zu sehen wünscht, der fähig ist, Frankreich zu führen. Sie eröffnet ihren Pariser Salon in der rue Royale wieder zugunsten der Restauration des Hauses Bourbon. Ihre Tochter Albertine ist die Zierde dieses Salons. Sie unterwirft sich den sozialen Zwängen, die diesem aristokratischen, schwerreichen Milieu eigen sind, und heiratet 1817 mit 20 Jahren den Herzog Victor von Broglie, einen 12 Jahre älteren Mann. Obwohl er dem Namen nach Katholik ist, ist er offen für die Erweckungsbewegung.

Er engagiert sich in der Gesellschaft für christliche Moral, die die protestantischen und katholischen Eliten vereint, die einen aktiven Glauben wieder beleben möchten. Albertine von Staël ihrerseits gründet die Biblische Gesellschaft der Frauen von Paris. Im Jahre 1817 drängt sich bei Frau von Staël die Gruppe der sogenannten Doktrinäre, vertreten durch den Herzog von Broglie (1785-1879), Royer-Collard (1763-1845), Barante (1782-1866), Rémusat (1697-1875) und Guizot (1787-1874), die eine durch eine Charta begrenzte Monarchie wünschen.

Germaine stirbt 1817, kurze Zeit nach einem Anfall, der sie lähmt, mit 50 Jahren niederwirft und ihre Betrachtungen über die Hauptereignisse der Französischen Revolution unvollendet lässt. In diesem 1818 postum veröffentlichten Werk wirft sie den von der Leidenschaft abstrakter Ideen besessenen Franzosen vor, die anderen zu verachten, was ihnen untersagt, die Verfassung eines anderen Volkes nachzuahmen.

Was das Empire angeht, so sieht sie darin „viele Beamte für einen großen Verwalter, viele Soldaten für einen General, Untertanen für einen Cäsar und die Anarchie, um ihn herbeizuwünschen“.

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