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Haviland, eine Familie
von Porzellanherstellern

Die Marke der Familie Haviland war fast ein Jahrhundert führend in der Porzellanindustrie. Dieser Erfolg fruchtet aus dem Zusammenspiel gekonnter Herstellungsprozesse, und der von der Familie gepflegten Nähe zu den kreativsten Künstlern der Epoche.

David Haviland (1814-1879) von Carjat

David Haviland vermacht nach dreissig Jahren Aktivität seinen Erben ein führendes und leistungsstarkes Industriewerk das eine grossen Marktanteil in den Vereinigen Staaten beherrscht.

Die Havilands gehören einer sehr alten Familie an, die sich während der Einfälle der Normannen in Nordfrankreich im Cotentin angesiedelt hatte; der englische Zweig der Familie existiert noch immer. Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wandert ein William nach Amerika aus, man trifft 1648 in Providence wieder auf ihn. Er hat sich dort den “Quakern” angeschlossen. Nach sieben Generationen von Ansiedlern treffen wir auf den in 1814 geborenen David, der mit seinem älteren Bruder ein Gemischtwarengeschäft in New York, betreibt, gelegen in der John Street Nummer 47 (in der Nähe der Wall Street). Das Geschäft verkauft auch englisches Geschirr. Dieses kaufmännische Unternehmen wird 1852, als sich auch andere Mitglieder der Familie anschliessen, zur Gesellschaft mit dem Namen Haviland Brothers.

Gegen Ende der Dreissigerjahre des 19. Jahrhunderts grassiert eine Wirtschaftskrise in Amerika und aus dem Versuch mit Hilfe eines breiteren Angebots die Krise zu überleben, etwa durch den Import von Porzellan, einer neuen und in Amerika wenig bekannten Ware, erwächst für David der Beschluss mit Frau und Kind nach Frankreich überzusiedeln. 1841 befindet er sich in Foecy, bei befreundeten Porzellanherstellern, das heisst Angehörige der Quaker wie er; die geistige Unabhängigkeit der Familienmitglieder erklärt sich vielleicht aus der Angehörigkeit zu dieser spezifischen Form des Protestantismus. 1842 im April oder Mai trifft David in Limoges ein, in Begleitung seiner Frau Marie, und seines zweijährigen Sohnes Namens Charles. Ein zweiter Sohn, Theodor, wird im August geboren. Der Ortswahl von Limoges liegen die in der Umgebung befindlichen Koalinschichten im Erdboden zugrunde; man benötigt diesen Typ von Lehmerde zur Herstellung von Porzellan.

Der industrielle und kommerzielle Erfolg

David, der bei seinem Eintreffen im Limousin weder die Sprache noch die Technik der Porzellanherstellung kennt, macht zunächst die Runde der existierenden Fabriken. Er sucht Ware aus und verschickt sie an seine Brüder in New York. Dieses neue Produkt gefällt der Kundschaft so sehr, dass es ihm bald möglich ist, seine eigenen Gussformen zu erwerben um spezifische Produkte für den Export herzustellen, die den Bedürfnissen des amerikanischen Marktes entsprechen.

Der Erfolg erlaubt es David jetzt, sich zum Porezllandekorateur zu entwickeln, dass heisst er kauft „weisse Ware“ und bestimmt selbst den Dekor und die Bemalung.

Zwischen 1842 und 1853 ist die Exportzahl für französisches Porzellan nach den Vereinigten Staaten dank der Ansiedlung Davids in Limoge von 753 Paketen auf 8594 angestiegen. Haviland nimmt an der Weltausstellung 1853 teil und gewinnt eine Medaille.

Jetzt da der amerikanische Markt gewonnen ist, ermöglicht der gute Umsatz den Einsatz grösserer Investitionen um zum eigenständigen Hersteller zu werden.

Der Sezessionskrieg in Amerika („Civil War“, 1861-1865) hat katastrophale Konsequenzen. Da die Produktion fast ausschliesslich für den amerikanischen Martk betimmt ist, muss alles eingestellt werden, insbesondere der Bau der Fabrik, und es bleibt nichts übrig als bessere Zeiten abzuwarten. Haviland Brothers geht bankrott, die „Limousiner“ sind wieder auf sich gestellt.

Es folgt am 1. März 1864 die Gründung der Haviland et Compagnie (H & Cie) nach französischem Recht.

Sofort nach Kriegsende wird Theodor (1842-1919) in die USA geschickt. Dem gerade erst 23-jährigen, der grosse kaufmännische Talente hat, gelingt es, ein Kundennetz aufzubauen und die Familienmarke auf dem Markt in eine derart führende Position zu bringen, dass infolge die Fabrik in Limoges mit der Lieferung nicht nachkommt. Tatsächlich erhöht sich das Exportvolumen der Marke H & Cie von 2 872 Tonnen im Jahre 1867 auf 4 767 für 1870, und es erreicht 1872 sogar 5 500 Tonnen, also eine Verdopplung in nur fünf Jahren. Die Fabrik verfügt ab 1870 über 6 Öfen, man hat eine moderne Technik eingeführt, es wird jetzt mit Kohle gefeuert.

Die Familie bleibt ihren religiösen Überzeugungen sehr verbunden. Zu Lebzeiten Marys war das Tragen von Baumwollstoffen geächtet, da zur Herstellung schwarze Sklaven eingesetzt werden. Wenn man auch die abgesehen vom Finanziellen geringfügige Teilnahme am Gemeinschaftsleben der Kirchengemeinde in Limoges auf die Abwesenheit  von einer Quakergemeinschaft in Frankreich zurückführen kann, so ist die Teilhabe im sozialen Bereich eine andere. Auf diesem Gebiet kann man die Initiative der Familie mit der anderer protestantischer Industriellenfamilien vergleichen. Noch im Jahre 1870 wird eine Hilfskasse gegründet, die Soldaten und ihren Familien in der Not zugute kommt. Es folgt die Gründung einer Solidaritätskasse, eine dem heutigen sozialen Wohnbau verwandte Einrichtung, die finanzielle Beihilfe leistet um zum Erwerb einer eigenen Wohnung zu helfen, und schliesslich ein Verein von Ferienkolonien, genannt „Schlüssel zur weiten Welt“.

Es ist der ausgeprägte Freigeist und die Achtung vor den Vereinbarungen der Familienmitglieder hervorzuheben, sicher findet sich die Erklärung dafür in der Zugehörigkeit zu diesem besonderen Zweig des protestantischen Glaubens.

Der Porzelandekor erlebt eine revolutionäre Etwicklung

© Collection privée

Charles Haviland übernimmt früh die volle Führung der Manufaktur. Dank seines Vaters kann er von einer dominierenden Positionierung auf dem amerikanischen Markt und einem mit den neuesten technischen Mitteln ausgestatten Industriebetrieb profitieren. Das Werk ist die grösste Fabrik Frankreichs und eine der bedeutendsten in Europa. Aber Porzellan ist ein Luxusgut, und es ist dem Trendwandel der Mode unterworfen. Charles wird sich des überholten Charakters seiner Produktion bewusst. Charles wird sich bewusst, dass seine Produkte nicht dem Modetrend der Zeit entsprechen. Er braucht neue und originelle Ideen, die er nicht bei den lokalen Fachkräften findet, da sie mehr oder weniger im Traditionellen verankert sind.

Obwohl eine solche Vorgehensweise noch nie dagewesen ist und sie kaufmännisch ein Risiko darstellt, entschliesst sich Charles, einen „Künstler“ einzuberufen, und zwar keinen geringeren als Felix Bracquemond, der zu diesem Zeitpunk das Maleratelier in der Manufaktur von Sèvres leitet. Er stellt ihn ein und vertraut ihm, am 1. Juli 1872, die künstlerischen Leitung eines Ateliers an, das den Dekor kreieren soll für den Druck auf Porzellan; das Atelier befindet sich in Paris, in der Rue Michel Ange Nummer 16, und es wird allgemeinhin als das Atelier d’Auteil bezeichnet. Seine Funktion ist zweifach : hier wird an der Ausarbeitung einer neuen Technik gearbeitet, die die Fertigungskosten senken soll, und es werden neuartige Dekore von grossem künstlerischen Wert geschaffen.

Die „Chromolithografie“, die es erlaubt, gleichzeitig die Zeichnung und die Farben zu übertragen, ersetzt die kostspielige Bemalung von Hand. Durch die Anwendung dieser Technik des Dekorauftrags, die sich bewusst von der Tradition absetzt und ihre Inspiration in der japanischen Kunst findet, und durch die Übernahme der impressionistischen Errungenschaften in der Malerei gelingt es, Hunderte von Dekormotiven zu schaffen, die als revolutionär eingestuft werden können und die vom Markt begeistert aufgenommen werden.

„H & Cie “  kann sich als marktführende Firmenmarke bestätigen.

Vom Jugendstil zum Art-Déco

Gegen Ende der Jahre 1880 kehrt Theodore aus den Vereinigten Staaten zurück und gründet seine eigene Gesellschaft  „Theodore Haviland und Cie “. Er baut eine moderne Fabrik und es gelingt ihm Dank einer besonders günstigen Marktentwicklung sich neben „Haviland und Cie  “ einen Platz am Markt zu erobern.

Die Mode hat sich wieder geändert. Die Ausschweifungen in den Japonismus sind vergessen, man ist wieder zu den traditionellen Dekortypen des 18. Jahrhunderts mit zentralen Blumenmotiven und konzentrischem Dekorband zurückgekehrt. Theodore Haviland erkennt denn neuen Trend sogleich, und er adoptiert eine äusserst wirksame Strategie, die darin besteht, der Kundschaft kontinuierlich neuartige Dekorvarianten anzubieten, fast jeden Tag wird etwas neues geschaffen, stets ausgesprochen raffiniert und edel, ohne dabei jedoch den Auswüchsen des Jugendstils zu verfallen.

William Dannat Haviland, der Sohn Theodors, tritt 1903 in die Firma ein und steigt 1919 zum Direktor auf, er erbt einen bemerkenswerten Industriebetrieb. Wieder hat die Welt tragische Ereignisse hinter sich und der Markt ist in vollem Umschwung, man muss innovativ sein. Um die Tradition der Herstellung von Gebrauchsware beizubehalten, die gleichzeitig schön und eindeutig zeitgenössisch ist, indem sie dem Empfinden der fortschrittlichsten künstlerischen Strömungen entspricht, wendet sich auch William an die „Künstler“. Ab 1916 bietet der Künstler Edouard Marcel Sandoz eine ganze Sammlung dekorativer Gegenstände in Tierform an, dem Kubismus nachempfundene vereinfachte Skulpturen. William übernimmt zwei neue Materien, Seladon und Elfenbein, er schafft avantgardistische Formen, von denen einige die für den Art-Déco typische strukturelle Minimalisierung auszeichnet. Er versichert sich der Zusammenarbeit mit Künstlern verschiedenster Richtungen, wie etwa Jean Dufy oder Suzanne Lalique (die Gattin seines Vetters, Paul Burty Haviland). Seine Kreationen zählen zu den ganz grossen Erfolgen der Art-Déco Epoche im Porzellanbereich.

Nach dem zweiten Weltkrieg, der für die Industrie im Limousin besonders benachteiligend wirkte, hat die Gesellschaft Haviland den Besitzer gewechselt. Sie ist jedoch heute noch auf ihrem Gebiet aktiv.

Autor: Laurens d'Albis

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