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Hilfswerke

Viele protestantische Hilswerke wurden im 20. Jahrhundert gegründet. Es gab mehrere Gründe dafür.

Der erste und wesentliche ist das sehr tatkräftige Mitleid mit den Vernachlässigten einer sich sehr schnell entwickelnden Gesellschaft, die nicht ohne Gewalt jene zu Außenseitern machte, die sich nicht anpassen konnten oder die plötzlich aus dem “Rennen gedrängt” wurden, weil sie zu alt, zu schwach oder zu krank waren. Im übrigen legten die Protestanten zudem Wert darauf, ihre Eigenart in den Bereichen sichtbar zu machen, in denen die katholische Kirche  herkömmlicherweise eine entscheidende Stellung einnahm.

SHPF John Bost-Heime

“Diejenigen, die alle abweisen, nehme ich auf im Namen meines Herrn” – John Bost.

Die Stiftung der John Bost-Heime ist ein sehr ergreifendes, beeindruckendes und langlebiges Ereignis Einrichtung, da das Werk heute noch sehr aktiv ist.

John Bost (1817-1881) war einer der 10 Söhne von Pfarrer Ami Bost. Nach einem Zusammentreffen mit Liszt widmete er sich dem Klavierstudium. Danach beschloss er, wie 6 seiner Brüder, Pfarrer zu werden. Nachseinem Theologiestudium in Montauban kam er in die dörfliche Kirchengemeine von La Force in der Dordogne. Diese erste Amtstelle ist seine einzige geblieben, doch von welch einer Entwicklung !

Sofort war er mit Schwierigkeiten konfrontiert, für die die bestehenden Wohltätigkeitseinrichtungen keine angemessene Lösung fanden. Es ging in diesem Fall um die Unterbringung von zwei Waisenmädchen, die für die Aufnahme in einem Waisenhaus des Bezirks zu jung waren. John Bost beschloss, sie im Pfarrhaus unterzubringen und sich selbst um ihre Erziehung zu kümmern. Dies sollte das erste Heim werden, das bald nach seiner Gründung 1848 andere kleine Waisenmädchen aufnahm. Dieses Werk, “la famille évangélique” (die evangelische Familie) genannt, konsolidiert sich schnell mit Hilfe der englischen und schottischen Kirchen u.a. Es setzte einen Verwaltungsrat ein.

Die Aufnahme sprach sich herum und bewirkte, dass man John Bost bald nach dieser ersten Initiative um Unterbringung einer geistig behinderten Waisen bat. Zunächst lehnte er ab, weil es ihm an Mitteln fehlte, sich um sie zu kümmern, und weil ihre Anwesenheit das gefundene Gleichgewicht hätte stören können. Letztlich zur Aufnahme gezwungen, brachte er all seine Kraft auf und es gelang ihm, eine aktive Verständigung mit dem Kind aufzubauen. Dieser Erfolg führte dazu , dass andere “Schwachsinnige”, wie er zu sagen pflegte, zu ihm gebracht wurden. Er schuf daraufhin in der Nachbarschaft seines Pfarrhauses das Heim Bethesda (1854), das dazu berufen war, derartig Behinderte zu betreuen.

1858 konnte er sein Hilfswerk auf kleine Waisenjungen ausdehnen und gründete das Heim Siloé. Insgesamt gündete er 9 Heime. Er scheute keine Mühen, materielle Unterstützung zu finden, um Leiden zu lindern, dessen Vielfalt und Tiefe zu ergründen und zu ermessen er nie aufhörte.

Deswegen übernahm er auch die Ärmsten und Verstoßensten der Gesellschaft, die Epileptiker. Epilepsie wurde damals als die furchtbarste und für das Umfeld erschreckendste Krankheit angesehen.(Fallsucht, französisch “Haut mal”). Es enstand das Heim Eben-Ezer (“bis hierher hat mir Herr geholfen”).

Das letzte Heim, La Compassion (Mitleid), gründete er kurz vor seinem Tod. Es sollte seine gealterten behinderten Heimbewohner besser betreuen, die, deren Behinderung für sie selbst und für die anderen schwerer zu ertragen war. Für diese Fälle musste eine aufmerksamere und geduldigere Betreuungsweise erfunden werden.

Man muss hervorheben, dass jedes neue Heim in einer angenehmen Umgebung – in sinnvoller gegenseitiger Nähe – gebaut wurde. Jedes verfügte über einen für die damalige Zeit relativ anspruchsvollen Minimalkomfort, insbesondere Einzelzimmer für die schlimmsten Fälle. Außerdem gab es viele pädagogische Aktivitäten, die mehr oder weniger für jedem Behinderten geeignet waren. Manche Heimbewohner lernten Gartenarbeit,

andere wiederum wurden in einem Handwerk ausgebildet. Und selbstverständlich gehörten Bibellesen sowie der Gesang von Kirchenliedern grundsätzlich zum Leben dieser eindrucksvollen Gemeinschaft.

Die John Bost-Heime wurden recht schnell und dank des Einsatzes ihres Gründers als gemeinnützig anerkannt (1877).

Die John Bost-Stiftung im 21. Jahrhundert

Seit ihrer der Gründung legt sie großen Wert auf die Aufnahme von Schwerstbehinderten.

Sie steht hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich, im Dienst der Protestanten und hat so nationale Bedeutung. Dabei ist sie für Mittel- und Langzeitpflege zuständig (Krankenpflegesetz von1870) und beteiligt sich am Krankenpflegedienst.

Zur Zeit übernimmt die Stiftung zur Mittel- und Langzeitpflege alle Arten geistiger und psychischer Störungen, Kinder(ab 6 Jahren), Erwachsene, Senioren, mit Ausnahme von :

  • Menschen mit ansteckender Erkrankung
  • Kranken mit akuten psychiatrischen Störungen, die für sich selbst und für ihre Umgebung eine Gefahr darstellen
  • Drogenabhängigen, Alkoholikern oder Psychopathen.

Die Stiftung veröffentlicht eine Vierteljahrsschrift “Notre prochain” (Unser Nächster).

Einrichtung von St. Hippolyte-du-Fort für protestantische Taubstumme

1856 wurde die Schule von St. Hippolyte-du-Fort (im Gard) gegründet. Es ist besonders bezeichnend, dass man für die Niederlassung dieses Hilfswerkes für Taubstumme ein kleines Dorf in den Cevennen ausgesucht hatte. Die Beweggründe waren von vornherein bewusst anti-katholisch.Tatsächlich hatte die katholische Kirche mit Abbé de l’Epée (der das Wolfskind zähmte) und besonders mit Abbé Sicard gezeigt, welche große Aufmerksamkeit sie den Verständigungsproblemen der Tauben widmete. Sie hatte nämlich die Zeichensprache als eigenständige Sprache anerkannt, als Kommunikationsmittel für derartig Behinderte und als Zugang zur Schriftsprache. Das Problem der Protestanten war, dass die Katholiken ihren Vorteil ohne Zögern nutzten und alle Tauben, die nicht der römischen Kirche anhingen, bekehrten. Die Verantwortlichen der Schule von St- Hippolyte-du-Fort wollten ihr unterschiedliches Vorgehen deutlich hervorheben und empfahlen eben, den Hörgeschädigten das Sprechen beizubringen, sogar den Tauben. Man fragt sich, ob die Polemik dem angestrebten Ziel diente. Der Wille, ihnen das Sprechen beizubringen , ruhte auf der Hoffnung , die Hörgeschädigten ihrem Anderssein zu entreißen. Zudem schienen einige Experimente ermutigend. Eins davon wurde auf Französich in Lausanne durchgeführt. Mit den aufgebrachten finanziellen Mitteln wurde ein Lehrer aus der schweizer Schule nach St- Hippolyte-du-Fort eingeladen.

Was war die pädagogische Erkenntnis ? Begann der Lernprozess des Sprechens mit der Zeichensprache ? Diesbezüglich gibt es keine klaren Informationen. Man darf annehmen, dass das Sprechenlernen keine durchschlagenden Erfolg verbuchte. Jedenfalls verlangten die zusätzlich zur Grundbildung angebotenen Berufsausbildungen (zum Gärtner- oder Bäckergehilfen) mehr Beobachtungsgabe als Sprachtalent. Trotz der Ungewissheit bezüglich ihrer Effizienz wurde der Schule rasch Gemeinnützigkeit zugesprochen (1865). Währenddessen verbreitete sich das Sprechenlernen ziemlich schnell.

Dieses Verfahren wurde an öffentlichen, weltlichen und kostenfreien Schulen angewendet, deren Besuch Pflicht war. Eigentlich ist das nicht verwunderlich : viele Politiker, die an den Reformen der Dritten Republik mitgewirkt hatten, waren Protestanten oder protestantischer Herkunft. Dieser Reformbeitrag war nicht gerade ihr bester, denn manches hörgeschädigte Kind scheiterte an der Schule wegen des geforderten Sprechenkönnens. Man weiss, was daraus folgte. Die Tauben wurden von öffentlichen Schulen übernommen, die dem Gesundheitsministerium unterstanden. Anstatt ihre Eingliederung zu begünstigen, verstärkten sie ihr belastendes Anderssein. Die Reformen der Dritten Republik nahmen der Schule von St. Hippolyte-du-Fort ihre ursrüngliche Aufgabe. Sie entwickelte danach neue Kompetenzen, indem sie besonders Kinder mit schweren psychischen Problemen und Autisten aufnahm.

Verschiedene Hilfswerke

Eine Art von innerer Mission war die sichtbare Präsenz von Protestanten in Bereichen, in welchen die katholische Kirche sehr aktiv war und nicht zögerte, die zu bekehren, die ihren Beistand beanspruchten. Viele Heime, Altersheime und Krankenhäuser wurden auf katholischem Gebiet gegründet, auch in Winter-, Bade- und Kurorten mit Thermalbad, die sich besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten.

So wurde, dank der Schenkung von Madame Thuret und Herrn Jameson 1854 das Heim La Muette eröffnet.Es war für arme alte Menschen bestimmt. Das Heim Cité des fleurs in Neuilly eröffnete nach einer Choleraepidemie 1866. Das Heim von Nanterre, das 1862 für alte Menschen und nach dem Krieg von1870 für Waisen gedacht war, wurde 1880 als gemeinnützig anerkannt. Es ist immer noch aktiv (und entspricht heute den Kriterien der Gesundheitsbehörde DASS ).

Aus dem neuerdings wiederaufgebauten Heim La Muette ist ein protestantisches Altersheim (43 rue du Sergent Bauchat, 75012 Paris) entstanden. Dank seiner Kurabteilung nimmt es weiterhin gesunde und selbständige alte Menschen auf. Es wird von einem protestantischen Seelsorger betreut.

1876 gründete Pfarrer Fournier in Aix-les-Bains ein Kurhaus (Maison de cure), “um seinen armen Glaubensbrüdern die Wohltat der Thermalwässer zu ermöglichen, deren Heilwirkung oftmals an Wunder zu grenzen scheint”. Pro Saison konnte das Haus 200 Menschen beherbergen, 35 auf einmal.

1881wurde die Maison protestante (Protestantisches Haus) in Vichy gegründet, um den Kurgästen einen Gottesdienstbesuch zu ermöglichen.

Die Fondation Lambrecht

Die Fondation Lambrecht ist heute ein gefragtes protestantisches Altersheim. Es wurde 1843 gegründet dank eines bedeutenden Vermächtnisses von Graf Charles Joseph Mathieu Lambrechts. Dieser Jurist der Universität von Louvain – 1814 einer der Redakteure der Abdankungsurkunde von Napoleon, der zur Zeit der Restauration Franzose wurde – war mit einem lutherischen Pfarrer von Paris befreundet. Dieser hatte ihm die Schwierigkeiten der Protestanten beschrieben, die ihrer Religion treu bleiben wollten. Trotz des Konkordats schienen viele wie Fremde behandelt zu werden. Besonders in den Krankenhäusern wurden sie ziemlich schlecht aufgenommen, sogar vernachlässigt, wenn sie ihren Glauben nicht wechselten. Lambrechts schrieb also ein Testament zugunsten derer, die behindert, blind, arm und krank “in ihrem Glauben litten”. Er wollte, dass das Geld unter anderem für die Schul- und Berufsausbildung armer Kinder verwendet wurde.

Evangelisches Heim von Nizza ; Protestantische Krankenpflegestation von Marseille

Die Krankenhaus- und Heimaufnahme von erklärten Protestanten lag lange Zeit sehr im Argen. Es schien nur die Alternative zu geben zwischen Pflege nach Bekehrung zum Katholizismus oder Vernachlässigung. “Das Krankenhauswesen, das an sich schon sehr mangelhaft war, war besonders schlecht für die kranken Protestanten, die aus Armut gezwungen waren, darauf zurückzugreifen : Mangel an Versorgung, ständige Aufdringlichkeit des klerikalen Personals, das sich bestärkt fühlte von der Verantwortungslosigkeit und der Unwilligkeit der Obrigkeit gegenüber den wenigen “Ketzern” in der Region” (Dictionnaire des œuvres protestantes). Deswegen bildeten sich einige Krankenpflegevereine, die die zu offensichtlich vernachlässigten Kranken betreuten.

Verein der emsigen Ameisen Frankreichs (Société des Fourmis de France)

Dieser bescheidene Verein, der 1889 von jungen Mädchen aus gutem Hause gegründet wurde, bot an, selbstgenähte oder selbstgestrickte Kleider an Arme zu verteilen.

Militante Vereine

Man beobachtet zu Beginn der Dritten Republik die Gründung einiger militanter Vereine.

Sie bestätigten die Existenz des Protestantismus gegenüber den vermehrten Konversionsversuchen des Katholizismus. Unter anderen gab es 1880 das Hilfswerk für Priester, die zum Protestantismus überwechseln wollten. Dieses betreute die Konvertiten und ermöglichte die Pfarrerausbildung seiner Schützlinge. Es wurde von einem zum Protestantismus übergewechselten Katholiken, Eugène Réveillaud, ins Leben gerufen.

Auf einem anderen Bereich muss man das Hilfswerk für Leidende (œuvre des affligés, 1881) und die Liebevollen Werke (les œuvres affectueuses, 1882) erwähnen.Beide machten es sich zur Aufgabe, trauernden Familien Trost zu spenden. Diese wurden ausfindig gemacht, weil sie entweder regelmäßig Friedhöfe besuchten oder mit einer Annonce den Tod eines Familienangehörigen in Lokal- oder Nationalzeitungen bekannt gaben.

Es muss auch die Société Coligny (1880) erwähnt werden. Sie begab sich ans Kranken- oder Sterbebett der Protestanten des Freissinière-Tals (Hautes -Alpes). In diesem von der sich stark wandelnden französischen Gesellschaft weit abgelegenen Winkel wohnten viele Protestanten in schlimmsten Verhältnissen. Man erwog, einigen eine Umsiedlung nach Algerien zu ermöglichen.

Bibliographie

  • Seiten
    • Site sur l’histoire de la Fondation John Bost (en partenariat avec la SHPVD) | Link

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