Ein bemerkenswerter Prediger
Er besuchte in Straßburg das Gymnasium und die Universität und wurde 1770 zum Doktor der Philosophie promoviert. Später wurde er Philosophie- und auch Theologieprofessor sowie schließlich Rektor der Universität (1786-1789). Internationalen Ruf erwarb sich Blessig zunächst als Kanzelredner : seine Predigten zu großen historischen oder politischen Anlässen – wie der Überführung der sterblichen Überreste des Marschalls von Sachsen (1696-1750) in das Mausoleum in der Thomaskirche von Straßburg (1776) oder der Hundertjahrfeier der Eingliederung des Elsaß in das Königreich Frankreich (1784) – wurden in ganz Europa bewundert. Seit Beginn der Französischen Revolution zählte er zu deren Anhängern : er wurde in den Stadtrat von Straßburg gewählt, rief im August 1789 die Lutheraner zur Ruhe auf und unterzeichnete im August 1792 eine an die Gesetzgebende Versammlung adressierte Denkschrift gegen die Absetzung des Königs Ludwig XVI. Zwischen 1793 und 1794 verbrachte er elf Monate im Gefängnis. Blessig, der stark vom deutschen Protestantismus geprägt war, arbeitete im Oktober und November 1801 an der Redaktion der (am 8. April 1802 in Kraft getretenen) Organischen Artikel des napoleonischen Konkordats mit und befaßte sich mit der Organisation der lutherischen Kirche, zu deren Inspektor er ernannt wurde ; er war auch Mitglied ihres Generalkonsistoriums.
Ein engagierter Vermittler
Blessig war auch Freimaurer und verfaßte die Statuten der « Gesellschaft der Menschenfreunde », die er 1775 zusammen mit den Brüdern de Türckheim gründete. Bei dieser Satzung handelte sich um eine vom Christentum inspirierte Begründung der Menschen- und Bürgerrechte, die besonders für die Gleichstellung der Juden eintrat. Als « Kirchenführer des protestantischen Elsaß » hat er die Theologen orthodoxer oder pietistischer Geisteshaltung von seiner Kirche ferngehalten, indem er versuchte, den Zeitgeist mit dem Christentum zu versöhnen. Auch in der Wohlfahrt und in der Verbreitung der Bibel war er sehr aktiv.