Die angenommene Revolution 1789-1792
Der Beginn der Revolution wird begeistert begrüßt. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die die Glaubensfreiheit und den Zugang zu allen Staatsämtern für alle verdienten Bürger verkündet, wird von den Protestanten freudig aufgenommen. Die Geistlichen aller Religionen werden eingeladen, bei den Feiertagen der Föderation (Juni 1790) vor dem Altar des Vaterlandes ihren Gottesdienst zu feiern.
Die Zivilverfassung des Klerus (Juli 1790) sieht die Wahl der Bischöfe und Priester durch alle Bürger vor, ohne Unterscheidung der Konfession, und macht damit die katholische Kirche zu einem Ableger der Nation, in völligem Gegensatz zu den Prinzipien der katholischen Kirche.
Die Abschaffung der Privilegien in der Nacht des 4. August 1790, dann die Anordnung am 2. November, dass die Besitztümer des Klerus der Nation zur Verfügung gestellt werden, erschrecken die Protestanten, auch wenn ihre Kirchengüter vorläufig vom Verkauf ausgeschlossen sind; diese Begünstigung wird von den Katholiken schlecht aufgenommen.
Da die Protestanten befürchten, dass sie einem System einverleibt werden, das ihre Besonderheit nicht in Betracht zieht, planen sie eine zivile Verfassung des protestantischen Klerus, deren Basiszelle die Gemeinde ist. Dieses Projekt wird der Nationalversammlung vorgelegt, die ihm nicht Folge leistet, zumal zahlreiche Gemeinden sich ihm widersetzen.
Freundschaftliche Beziehungen bestehen zu dem verfassungstreuen Bischof von Straßburg; man nimmt an allen patriotischen Festen teil, die Fahnen werden vom Priester und vom Pastor gesegnet. Ein Treueeid für die Nation, den König und das Gesetz wird geleistet.
Da die Revolution die Autonomie, die Freiheit und finanzielle Sicherheit der protestantischen Kirchen beibehalten hat, weisen die elsässischen Protestanten einen uneingeschränkten Patriotismus auf. Sie nehmen an der Gedächtnisfeier zum Tod von Mirabeau teil.
Die Schreckensherrschaft
Nach dem Aufstand in Paris am 10. Juni 1792, der Niederlage der Verfassungspartei und dem Sturz des Königs am 10. August betreiben einige Gemeindeverwaltungen eine die Gottesdienste einschränkende Politik. Nach der Ausrufung der Republik am 22. September 1792 lässt die Einführung des Personenstandes befürchten, dass die Register über Taufen, Heiraten und Beerdigungen nicht mehr von den Pastoren geführt werden können. Im Februar 1793 wollen die beauftragten Kommissionsmitglieder zum Verkauf der Gemeindegüter schreiten, diese Initiative wird von der Konvention abgelehnt.
Nach der Niederlage der Girondisten im Juni 1793 wird die Bergpartei allmächtig. In Straßburg werden die protestantischen „Gemäßigten“ unter den „Freunden der Verfassung“ wie Knechte des Bürgermeisters, des Protestanten Jean de Dietrich, behandelt. Einige Radikale des Jakobinerclubs halten heftige feindliche Reden gegen die Protestanten, die des Dünkels gegenüber den Katholiken beschuldigt werden, und gegen die „Pfründe der reichen (lutherischen) Stiftung des Heiligen Thomas“.
Die Kriegserklärung an Österreich führt zur Radikalisierung des Regimes und zur Errichtung der Schreckensherrschaft. Die beauftragten Volksvertreter nehmen eine massive Säuberung aller gewählten Gremien vor, die Denunzierungen häufen sich, in Straßburg wird ein Revolutionsgericht errichtet, die Gefängnisse füllen sich. Protestantische Persönlichkeiten wie Blessig, Lobstein, Haffner treffen im Gefängnis auf zahlreiche Priester, die seit Monaten verhaftet sind.
Die Guillotine ist in Betrieb. Der erste Pfarrer wird im November hingerichtet. Der ehemalige Bürgermeister Dietrich, in dessen Haus Rouget de Lisle die Marseillaise komponiert hatte, wird des Verrats mit dem Feind angeklagt und im Dezember 1793 in Paris hingerichtet.
Alle Kultgebäude werden beschlagnahmt, die Wertgegenstände verkauft: die Kathedrale wird zu einem Tempel der Vernunft umgewandelt, ihre Turmspitze von einer Phrygischen Mütze aus Weißblech bedeckt. Etwa 20 von 220 Pastoren schwören ab; sie werden nach der Schreckensherrschaft ihren Dienst nicht wieder aufnehmen.
Die Unterdrückung ist besonders hart in Straßburg, weniger jedoch im Oberrhein. Auf dem Land ist die Lage weniger dramatisch, zumal die Revolutionspropagandisten weder die elsässische Sprache noch die Mentalität der Elsässer verstehen. Die Gottesdienste werden als patriotische Sitzungen getarnt, die Pfarrer müssen sich oft verstecken, können aber an einigen Orten bis zum Juli 1794 Gottesdienst feiern. Zu diesem Zeitpunkt wird die Verhaftung und Verbannung aller Geistlichen nach Cayenne beschlossen, doch der Fall von Robespierre setzt diesen Exzessen ein Ende.
Es ist hervorzuheben, dass die Männer des linken Protestantismus an der bürgerlichen politischen Aktion teilnehmen. Die „Populäre Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“ vereint katholische und protestantische Idealisten und entfaltet eine starke Aktivität im Dienste des Allgemeinwohls, besonders der Erziehung. Die Gesellschaft kümmert sich darum, qualifizierte Grundschullehrer für die neuen öffentlichen Schulen einzustellen, die die abgeschafften konfessionellen Schulen ersetzen, und für das Straßburger Gymnasium.
Pastor Oberlin, eine große Persönlichkeit dieser Richtung, der trotz zahlreicher Bezeugungen seiner republikanischen Gesinnung mehrmals verhaftet worden war, wird glücklicherweise am 1. August 1794 in Schlettstadt freigelassen.
Nachdem der Versuch, die traditionelle Religion durch eine philosophische Ideologie zu ersetzen, gescheitert ist, stellen mehrere Dekrete (im Februar und Mai 1795) die Religionsfreiheit wieder her und geben die beschlagnahmten Güter zurück. Es ist schwieriger, die zurückgetretenen Pfarrer zu ersetzen, was die Neuordnung der theologischen Lehre erfordert. Um die finanziellen Probleme zu lösen, die durch das Ende der städtischen Zuwendungen seit mehreren Jahren geschaffen worden waren, wird ein Beitrag der Gemeindeglieder gefordert.
Das Direktorium
Im Jahre 1798, unter der Herrschaft des Direktoriums (Oktober 1795-November 1799), tritt die Freistadt Mülhausen der französischen Republik bei.
Viele Pfarrer frönen weiterhin dem bombastischen Stil der Zeit. Die Pastoren müssen erneut den Zivileid ablegen. Die Lieder sind auf deutsch, die Predigten auf französisch loben die bürgerlichen Tugenden. Die Behörden sehen in der protestantischen Bevölkerung nur „Toleranz, Mäßigung und beispielhafte Unterwerfung unter die Gesetze“.
1799 wird erneut Alarm geschlagen, als einige jakobinische Abgeordnete noch einmal die Beschlagnahmung der protestantischen Kirchen fordern; das Direktorium, das die Protestanten nicht brüskieren will, zögert und der Staatsstreich von Napoleon Bonaparte am 18. Brumaire setzt der Sache ein Ende.