16. Jahrhundert
Die evangelische Werbetätigkeit verbreitet sich sehr schnell in den Provinzen Aunis, Saintonge und Poitou.
Zunächst verbreiten „Predigermönche“ die „lutherische Häresie“ und predigen die Notwendigkeit einer Reform der Kirche und die Rückkehr zu einem evangelischen Ideal. Unter ihnen sei Philibert Hamelin genannt, der, zum Exil gezwungen, nach Genf flüchtet und dort als Buchdrucker arbeitet. 1554 kommt er als Pfarrer in die Charente zurück.
Der Aufenthalt Calvins in Poitiers 1534 trägt dazu bei, aus diesen Regionen bevorzugte Gegenden des Calvinismus zu machen, der sich an erster Stelle in den Städten ausbreitet: in der Universitätsstadt Poitiers und in La Rochelle.
In Poitiers berührt der neue Glaube vor allem die Juristische Fakultät, wo Calvins eine große Zuhörerschaft findet. Er erstreckt sich danach auf das Milieu der Handwerker und Kaufleute.
Wie überall geht die Einführung des Calvinismus einher mit der Bedeutung, die Bildung und der Entwicklung der Schule beigemessen wird.
Die reformierte Gemeinde im Poitou war mit denen von Meaux und Angers eine der drei ersten, die organisiert wurden: aus informellen Versammlungen entstand schließlich eine Keimzelle von Kirche.
In der Tat lässt sich die Entstehung von Gemeinden in der Zeit von 1540-1550 feststellen. Zahlreiche Franzosen reisen nach Genf, um Organisationsmodelle und Pfarrer zu finden.
Nach 1550 entstehen die ersten Kirchen, mit Pfarrern ab 1559, sowohl im Poitou als in der Charente. Ab 1557 gibt es in Poitiers eine Kirchenordnung.
(Im Jahre 1558 kommt der Pariser Pastor Antoine de Chandieu in Poitiers vorbei).
Aber Franz I. ist beunruhigt und verlangt Bestrafung bis hin zu Haftstrafen für all jene, die Luthers Ideen predigen, oder sogar bis hin zur Todesstrafe. Philibert Hamelin wird am 12. April 1557 hingerichtet.
Von Poitiers aus verbreitet sich die Reformation in der ganzen Provinz (ab 1538); in Niort, in Mothe-Saint-Héraye, Parthenay und Bressuire werden Kirchen „errichtet“, insgesamt vierzehn Kirchen für das sogenannte Kolloquium des Bas-Poitou.
Aufschwung des Protestantismus nach der ersten Nationalsynode
Am 15. Mai 1559 versammeln sich die Vertreter der reformierten Gemeinden zu einer Synode in Paris, um eine einheitliche Lehre festzulegen und eine Kirchenorganisation zu entwerfen. Die Kirchen von Saintes und Poitiers sind dort vertreten.
Das Glaubensbekenntnis wird in einem ersten Entwurf vorgelegt und eine Kirchendisziplin nach dem Prinzip der Autonomie der Kirchen wird angenommen.
In Aunis und Saintonge geht die Verbreitung des reformierten Glaubens nach dem Vorbild des Poitou sehr rasch vor sich. Drei Jahre nach der Pariser Synode zählt man schon etwa 50 Kirchen, die von 38 Pfarrern betreut werden. Im Jahre 1576 sind fast drei Viertel der Bevölkerung zum Protestantismus übergetreten.
Die Stadt Saintes hat eine reiche protestantische Gemeinde, deren bekannteste Persönlichkeit Bernard Palissy ist. Dieser lässt sich 1546 dort nieder und widmet sich der Töpferkunst.
Im Jahre 1562 organisiert die Stadt eine Provinzsynode.
Die Stadt, die sich am spektakulärsten zur Reformation bekennt, ist zweifelsohne La Rochelle. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist die Mehrzahl der Bevölkerung für die neuen Ideen gewonnen.
1571 findet dort die siebte Synode statt unter dem Vorsitz von Théodore de Bèze, der das „Glaubensbekenntnis der reformierten Kirchen des Königreichs Frankreich“ bestätigt. Dieses war 1559 in Paris entworfen worden und ist seitdem als Glaubensbekenntnis von La Rochelle bekannt.
Bemerkenswerterweise wurden von den Nationalsynoden des 16. Jahrhunderts vier in Poitou-Charente abgehalten: in Poitiers 1561, in La Rochelle 1571, 1581 und 1607.
Religionskriege
Die Gegend wird nicht verschont von den Bürgerkriegen, die Frankreich von 1562 bis zum Ende des Jahrhunderts zerfleischen. Besonders während des dritten Krieges finden dort Kämpfe statt. Die Hugenotten haben Städte im Poitou und in der Saintonge eingenommen, um die Sicherheit von La Rochelle zu stärken, doch am 13. März 1569 verlieren sie die Schlacht von Jarnac, in der der Herzog von Condé den Tod findet. Sie versuchen, Poitiers zu belagern, aber vergebens, und am 3. Oktober 1569 verlieren sie die Schlacht von Montcontour im Norden des Poitou, obwohl die militärische Lage nicht aussichtslos ist. Doch das Poitou wird verwüstet und die protestantische Partei verliert zahlreiche Standorte.
Die Hugenotten fordern danach Städte, um ihre Sicherheit zu garantieren. Das Edikt von Saint-Germain gewährt ihnen vier, darunter La Rochelle.
Der sechste Religionskrieg endet mit dem Frieden von Bergerac und das ihn bestätigende Edikt wird am 17. September 1577 in Poitiers unterzeichnet.
Während des achten Krieges wird Agrippa d‘Aubigné (der in der Saintonge in der Nähe von Pons geboren wurde) zum Gouverneur der Inseln und des Schlosses von Maillezais ernannt, das bis 1619 ein Sicherheitsort sein wird. Dort verfasst er zum Teil sein Werk „Tragiques“.
1585, während des letzten Religionskrieges, flammen die Feindseligkeiten im Poitou wieder auf. Der Gouverneur der Bretagne Mercœur rückt bis Fontenay vor und die Verfolgungen beginnen.
Doch mit der Machtergreifung von Heinrich IV. wird der reformierte Glauben an zahlreichen Orten wieder hergestellt.
In der Provinz von Poitiers zählt man 39 Kirchen und 54 Gottesdienstorte. Erstaunlicherweise wächst die reformierte Religion während der Religionskriege.
17. Jahrhundert
Während der ruhigeren Jahre zwischen dem Edikt von Nantes und seiner Aufhebung gibt es in der protestantische Welt viele aktive Protestanten in der synodalen Provinz von Saintonge, Angoumois und Aunis. Man zählt dort etwa 98.000 Personen. Die Bevölkerung ist sehr unterschiedlich, alle Gesellschaftsschichten sind vertreten. Sie zählt zahlreiche Mitglieder des Adels, Juristen, Ärzte, Handwerker – vor allem Buchdrucker und Buchhändler –, Goldschmiede, Uhrmacher und viele Kaufleute.
Im 17. Jahrhundert sind Aunis und Saintonge in vier große Kolloquien unterteilt: das Kolloquium von Aunis (La Rochelle), das der Inseln (La Tremblade, Oléron), das von Saintes und das von Saint-Jean-d‘Angély.
Im Poitou gab es etwa 90.000 Protestanten, die in drei Kolloquien zusammengefasst waren: das Kolloquium des Bas-Poitou, der heutigen Vendée, das des Haut-Poitou und das des mittleren Poitou, das heutige Département Deux-Sèvres.
Im Laufe des Jahrhunderts wandelt sich die Gesellschaft: unter der Herrschaft Ludwigs XIII. lässt sich ein Schwinden des Adels und eine bedeutende Verminderung des Richterstandes feststellen.
Ab 1630 wird der Gottesdienst an verschiedenen Orten, besonders auf der Insel Oléron verboten. Daraus folgt ein Rückgang des Protestantismus. Im Poitou können sich die vier im 17. Jahrhundert gegründeten Kolloquien nach 1685 nicht mehr halten.
Der Fall von La Rochelle ist besonders bemerkenswert: im Laufe des 17. Jahrhunderts ist seine Bevölkerung mit großer Mehrheit protestantisch. Das kulturelle Leben dort ist sehr aktiv. Die Stadt zählt mehrere Verleger und ein Kolleg, das griechisch und hebräisch unterrichtet. Im Übrigen ist die Stadt seit 1568 unabhängig und ihre Kontakte zu England beunruhigen den König, der beschließt, der Stadt den Handel mit England zu verbieten. Kardinal Richelieu beginnt eine Belagerung der Stadt, um sie schnellstens wieder unter die Autorität des Königs zu bringen.
Die Belagerung dauert von September 1627 bis November 1628: 40.000 Mann kreisen die Stadt ein und der König lässt die Zufahrt zum Hafen durch einen Damm versperren, um die Ankunft von Hilfstruppen des Königs von England zu verhindern.
Nach einer heldenhaften Verteidigung musste die Stadt schließlich kapitulieren. In der Stadt gab es nur noch weniger als 6.000 Überlebende.
Die Protestanten und die Neue Welt
Die Protestanten haben bei der Eroberung der Neuen Welt eine wichtige Rolle gespielt. Vor allem Pierre Dugua de Mons, in Royan um 1560 geboren, hat mit Hilfe von Samuel Chaplain die Grundlagen für eine französische Kolonie in Kanada geschaffen: Akadien.
Er wird von Heinrich IV. zum Generalleutnant von Akadien ernannt. Nach seiner Rückkehr wird er zum Gouverneur der Stadt Pons ernannt.
18. Jahrhundert
Wie überall in Frankreich nehmen die Verfolgungen in den Jahren um 1680 zu.
Ab 1681 wendet der Intendant Marillac die Methode der Dragonaden bei den Protestanten an. Daraus ergeben sich zahlreiche Abschwörungen.
Viele Bewohner von Aunis, Angoumois, Saintonge oder Poitou wählen auch das Exil (aus dem Poitou machen sich etwa 18.000 Personen auf den Weg in Zufluchtsorte). Oft wählen sie den Seeweg, kommen nach La Rochelle, wo sie versuchen, Schiffe vor allem in Richtung Holland, England oder gar Amerika zu erreichen, trotz der Bemühungen des Oberrichters von La Rochelle, sie vor ihrer Einschiffung abzufangen.
Die Neue Welt war ein Zufluchtsort für zahlreiche Bewohner der Saintonge, die dort die Stadt New Rochelle gegründet haben.
Die Zeit der „Wüste“
Mit der Aufhebung des Edikts von Nantes werden alle protestantischen Kirchen zerstört und die protestantische Religion verboten.
Doch die Verfolgungen schaffen es nicht, die reformierte Religion auszurotten. Sie hält sich, widersteht und versucht, gleich nach der Aufhebung wiederzuerstehen. Trotz des Gottesdienstverbotes und den eingegangenen Risiken treffen sich die Protestanten heimlich zu Versammlungen, in denen die Bibel gelesen wird und Psalmen gesungen werden.
Das Drama von Grand Ry hat eine traurige Berühmtheit erlangt: am 22. Februar 1688 haben die Dragoner des Intendanten Foucault eine Versammlung überrascht und etwa 200 Personen festgenommen, von denen 30 auf die Galeeren geschickt und drei gehängt wurden.
Ab 1726 bildet das Seminar von Lausanne Prediger aus, die auf eigene Gefahr nach Frankreich predigen kommen.
Darunter befindet sich Louis Gibert (1722-1773), aus den Cevennen gebürtig, ausgebildet im Seminar von Lausanne, der von der Synode der Cevennen 1751 den Auftrag erhält, in den Gegenden von Saintonge, Angoumois und im Périgord sein Pfarramt auszuüben. Er beschließt, „Gebetshäuser“ zu gründen, besonders das von Breuillet im September 1755 in einer Scheune, um dort regelmäßig Gottesdienst zu feiern.
Ähnlich verhält es sich mit Jean Jarousseau, der nach seiner Ordination 1761 in der Synode von Saintonge Pfarrer der „Wüste“ war.
Die Verfolgungen für Versammlungen gehen bis zur Revolution weiter.
Saintonge hat etwa 100.000 Einwohner verloren. In der Gegend von Angoulême verbleiben noch etwa 13.000 Gläubige, vor allem Bauern.
19. Jahrhundert
Die „organischen Artikel“ von 1802, die auf das Konkordat folgen, erlauben den Protestanten, wieder eine Kirche zu etablieren und ihre Gotteshäuser wieder aufzubauen.
Die in Großbritannien und der Schweiz entstandene Erweckungsbewegung war wie überall in Frankreich in dieser Gegend sehr lebendig. Enge Verbindungen entstehen besonders zu Genf.
Die Evangelische Gesellschaft von Genf wird in der Saintonge und im Poitou sehr aktiv: sie begünstigt die Gründung von Bibelgesellschaften und von Schulen, besonders für Mädchen. Unter denen, die sich besonders für diese Arbeit der Evangelisierung eingesetzt haben, seien Lucien des Mesnards (1809-1871) und Jean-Louis Benignus (1819-1894) erwähnt.
Neben der Arbeit in der Evangelisierung und Bildung hat sich die soziale Tätigkeit unter dem Anstoß der Erweckungsbewegung stark entwickelt. Die Frauen haben daran einen wichtigen Anteil.