Die Geschichte der Baptistenkirchen
Der Ursprung des Baptismus liegt in zwei Strömungen der Reformation des 16. Jahrhunderts: einerseits im Anabaptismus, der die Erwachsenentaufe praktiziert und die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat fordert, andererseits im englischen Puritanismus, der einige aus dem Katholizismus stammende und vom Anglikanismus beibehaltene Riten abschaffen wollte.
Der Baptismus ist im Umkreis des englischen Pastors John Smyth (um 1570-1612) entstanden, der damals im Exil in Amsterdam lebte und dort auf den Anabaptismus traf; er gelangt zu der Überzeugung, dass nur die Gläubigentaufe der Lehre der Bibel entspricht. Einer seiner Freunde, Thomas Helwys, kehrt nach England zurück und gründet dort im Jahre 1612 die erste baptistische Kirche.
Nach einer entscheidenden missionarischen Wende im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss von Männern wie Andrew Fuller (1754-1815) und William Carey (1761-1834) in Indien hat der Baptismus eine beachtliche weltweite Verbreitung erreicht.
Die Entwicklung in Frankreich
Die baptistische Bewegung fasst nur schwer Fuß. Sie entsteht im Norden zu Beginn des 19. Jahrhunderts (um 1810); kleine Gruppen, die über die Bibel diskutieren, sind dort erlaubt und in Nomain wird die erste französische Baptistenkirche gegründet. Von diesem ersten baptistischen Kern aus entwickelt sich eine Gruppe von Evangelisten-Hausierern.
Andere Gruppen, ohne Verbindung untereinander, entstehen in der Bretagne, dann im Elsass und danach in Paris. Unter dem Second Empire wird ihre Entwicklung von den politischen Behörden gebremst, denn diese erkennen nur die Konkordatskirchen an. Aber die Bewegung kennt ein stetiges Wachstum ab der Dritten Republik; sie gliedert sich in regionale Verbände, die in der Union der Baptisten zusammengefasst sind.
Im Jahre 1910 entsteht der Bund der Evangelikalen Baptistischen Kirchen Nordfrankreichs, der 1916 in die Protestantische Föderation eintritt. Bei der Auflösung der Baptistischen Union im Jahre 1922 wird er zum Bund der Evangelikalen Baptistischen Kirchen (FEEBF).
Der Erste Weltkrieg führt zu schweren Verwüstungen im Norden, wo die baptistischen Kirchen sich hauptsächlich befinden: ihre Mitgliederzahl geht zurück.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wächst die Anzahl der Kirchen mit der Gründung neuer Kirchen und dem Anschluss zahlreicher, bis dahin unabhängiger Gemeinden. Im Jahre 1949 wird der Europäische Bund der Baptisten in Verbindung mit dem Baptistischen Weltbund gegründet.
So entsteht eine neue Evangelisierungswelle durch amerikanische baptistische Missionare (die Werbekampagne von Billy Graham 1955 in Paris im Vel d’Hiv).
Die Lehre
Seit seinen Anfängen verbindet der Baptismus zwei Grundideen:
- Eine eher reformierte Theologie: die Bibel als Grundlage des Glaubens
- Ein besonderes Verständnis der Taufe, die durch Untertauchen des Gläubigen im Erwachsenenalter geschieht, nachdem er seinen Glauben öffentlich bekannt hat; dieses Untertauchen wird als Neugeburt betrachtet und ist die notwendige Voraussetzung, um Mitglied der Kirche zu werden; sie ist eine Kirche der „Bekennenden“. Man wird nicht als Christ geboren, sondern wird es.
Die Baptisten betonen die missionarische Berufung: jeder Gläubige, jede Gemeinde ist dazu aufgerufen, das Evangelium bekannt zu machen.
Die Organisation der Kirche
Die Organisation ist kongregationalistisch: jede Kirche ist autonom; keiner Instanz ist es erlaubt, der Gemeinde ihr Gesetz aufzuzwingen.
Der Pfarrer wird von den Gläubigen seiner Ortskirche gewählt.
Von Anfang an zeigt sich das Bemühen, die Kirche vom Staat zu trennen und die Gewissensfreiheit hochzuhalten.
Der Baptismus beinhaltet mehrere Strömungen, die vom Liberalismus bis zu einem Evangelismus reichen, der dem Buchstaben des Bibeltextes große Bedeutung beimisst.
Die aktuelle Lage in der Welt
Die baptistischen Statistiken berücksichtigen nur die durch Untertauchen getauften Gläubigen und zählen die Jugendlichen und Kinder, die in den Kirchen aufwachsen, nicht mit; man muss die Zahl der Mitglieder also mit zwei oder drei multiplizieren, um die baptistische Bevölkerung zu schätzen.
Unter diesen Bedingungen würde die baptistische Weltbevölkerung im Jahre 2005 zwischen 125 und 150 Millionen betragen, sehr ungleich verteilt: ansässig besonders im Norden der Vereinigten Staaten, ist der Baptismus auch in Russland stark präsent, wo er die zweitgrößte konfessionelle Gruppe nach den Orthodoxen darstellt, und er kennt einen spektakulären Aufschwung in der Ukraine.
In Westeuropa zählt man die meisten Baptisten (200.000) in England.
Die Lage in Frankreich
In Frankreich schätzt man heute die Zahl der Baptisten auf 40.000 Gläubige (von denen etwas über 13.000 durch Untertauchen getauft wurden).
Die französischen Baptisten gliedern sich in drei Zweige:
- den Bund der Evangelikalen Baptisten Frankreichs (FEEBF), den zahlreichsten (20.000 Gläubige), der wiederum Mitglied der Protestantischen Föderation ist;
- die unabhängigen baptistischen Kirchen, die hauptsächlich im Rahmen der Evangelikalen Gemeinschaft der Unabhängigen Baptisten zusammengefasst sind (CEBI, 10.000 Gläubige);
- den Evangelikalen Verband Baptistischer Kirchen französischer Sprache (etwa 4.500 Gläubige).
Der Bund unterhält in Frankreich über 100 Kirchen und zahlreiche Hilfswerke; er arbeitet daran, Frankreich in Zusammenarbeit mit mehreren baptistischen Vereinigungen (den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Schweden) zu evangelisieren.
Die Baptisten haben sich den anderen Evangelikalen angenähert, besonders den Freien Evangelikalen Kirchen (Libristen): sie haben den Pfingstkirchen geholfen, Fuß zu fassen.