Ein Projekt der Eintracht
Der Ruhm und die Bekanntheit Melanchthons verbreiten sich bis nach Frankreich : er hatte einen regelmäßigen Briefwechsel mit Guillaume Du Bellay und Jean du Bellay, dem Bischof von Paris und älterem Bruder des berühmten Humanisten geführt. Einige seiner Werke wurden in Paris und Lyon herausgegeben.
Man schätzte ihn als Humanisten, als Kommentator der großen lateinischen und griechischen Texte, sowie als Autor zahlreicher rhetorischer, dialektischer, philosophischer Handbücher und Grammatiken der klassischen Sprachen. Seine Grammatiken des Lateinischen und Griechischen wurden wiederholt in Frankreich veröffentlicht. Einen weiteren Grund für die große Bekanntheit Melanchthons drückt Marguerite de Navarre folgendermaßen aus : « Dieser gute und vernünftige Mann, der gänzlich Gott ergeben ist und den Frieden liebt, bleibt der heftigen Leidenschaftlichkeit Luthers und Zwinglis gegenüber reserviert und wünscht nichts anderes, als den konfessionellen Divergenzen ein Ende zu machen » (« Cet homme bon et saint, entièrement dévoué à Dieu et grand amateur de paix, réticent à l’égard des passions violentes de Luther et de Zwingli et qui ne désire rien d’autre que de mettre un terme aux divergences des confessions… »).
Dieses Urteil zeigt, was von Melanchthon erwartet wurde : er sollte der Vermittler zwischen feindlichen Parteien sein, er sollte den Dialog zwischen Katholiken und Protestanten wieder ankurbeln und die drohende Spaltung der Kirche verhindern. Auf französischer Seite wurde die herausragende Position Melanchthons 1534 in einem großen Projekt der Eintracht offenbar : François I. setzte alles daran, die Grundlagen einer Allianz mit den protestantischen deutschen Fürsten zu legen
Melanchthon wurde gebeten, eine Liste der gemeinsamen Punkte von Katholiken und Protestanten (Lutheranern) aufzustellen und sie zu kommentieren. In dem Bereicht, den er verfasste, sprach er von der Ungeduld der Urkirche, d.h. der Kirche der Apostel und der Kirchenväter, die nach dem Tod Christi lebten und wirkten im echten ‘katholischen’ Geist. Es sei unbedingt notwendig, sich mit den Punkten der Uneinigkeit auseinanderzusetzen, um dann die Differenzen in aller Ruhe profund zu diskutieren. Es sei nötig, sich an gelehrte und im Friedensprozess engagierte Männer zu wenden, um die strittigen Punkte anzugehen und Unstimmigkeiten zu beheben.
Ein Jahr später bekam Melanchthon am 28 Juni 1535 einen Brief, der ihn an den Hof von François I. einlud. Das Schreiben lobt seinen Eifer beim Kampf um die Einheit der Kirche und seinen Vorschlag, einen Meinungsstreit mit den besten Professoren der Sorbonne zu führen.
Das Projekt wurde aus zufällig eingetretenen strategischen Erwägungen nicht durchgeführt.
Das Engagement Melanchthons für die Waldenser der Provence, die 1541 als Ketzer ins Gefängnis gesteckt worden, ist wohl bekannt.