Amyraut, ein Vertreter des reformierten Humanismus der ‚Schule von Saumur'
Moyse Amyraut wird 1596 in Bourgueil (Touraine) geboren.
Er studiert Jura, dann Theologie in Saumur, wo er als Pastor wirkt und 1633 an der protestantischen Akademie zum Professor ernannt wird.
Der größte Teil seines Lebens verbringt er in Saumur, wo er auch am 13. Januar 1664 stirbt.
Die Akademie von Saumur, gegründet von Philippe du Plessis-Mornay, ist von Anfang an durch den gemäßigten Einfluss ihres Gründers geprägt und hat im 17. Jahrhundert eine große Ausstrahlung. Sie ist der Ausdruck dessen, was man als reformierten Humanismus bezeichnen könnte, dessen typischer Vertreter Amyraut ist. Er ist berühmt für seine Großzügigkeit im Denken, seine gemäßigte Haltung und seine Fähigkeit zur Toleranz.
Der Humanismus der Schule von Saumur drückt sich auf theologischem Gebiet, im Bereich der historischen und philologischen Forschung und dem des politischen Denkens aus.
Nach dem Frieden von Alès (1629) werden die Protestanten, denen ihre Sicherheitsplätze und politischen Privilegien genommen sind, dazu angeregt, eine große intellektuelle Aktivität zu entfalten.
Sie versuchen in ihren Schriften, das Edikt von Nantes theoretisch zu rechtfertigen und darzulegen, dass sie keine Unruhestifter sind.
Mit dem Thema der Prädestination lässt Amyraut den Streit in der reformierten Welt wieder aufflackern (1634-1644), aber seine Position ist die der Versöhnung
Sein Buch « Kurze Abhandlung über die Prädestination und ihre Bedingungen » (Brief traité de la prédestination et de ses dépendances), erschienen 1634 bei Lesnier und Debordes in Saumur, lässt die Auseinandersetzung der Reformierten über das Thema der Prädestination wieder aufleben.
In der Tat hatte sich eine Synode zwischen 1618-1619 in Dordrecht (Holland) versammelt um zu versuchen, das Problem zu lösen, das die von Arminius (1560-1609) vorgebrachten Thesen aufgeworfen hatten, welche die offizielle calvinistische Lehre der doppelten Prädestination in Frage stellten. Gegenüber den Arminiern, welche die Idee einer Verantwortung des individuellen Glaubens für das Heil vertraten, behaupteten die Gomarier, Schüler von François Gomar (1563-1641), dass das göttliche Dekret der Prädestination dem menschlichen Willen bezüglich des Heils keinen Platz lasse. In Dordrecht wurde den Ansichten Gomars zugestimmt und das System von Arminius verworfen. 1620 billigt die Synode von Alès die Entscheidungen von Dordrecht.
Als Schüler des Schotten John Cameron (1580-1625), dem er zwischen 1618 und 1620 in Saumur begegnet und dessen Lehre er folgt, versucht Amyraut, zwischen den unterschiedlichen Haltungen zu vermitteln.
Er vertritt das Prinzip, dass das Heil allen zugänglich ist, vorausgesetzt, sie glauben. Gott will das Heil aller Menschen, aber er gibt nicht allen den Glauben an Christus, die notwendige Bedingung für das Heil.
Diese Stellungnahme sorgt für Unruhe in der reformierten Welt. Die Pastoren von Charenton verteidigen Amyraut, während aus den Niederlanden, Saintonge oder Sedan feindselige Reaktionen erfolgen, besonders von Pierre Du Moulin (1568-1658), Professor an der Akademie von Sedan.
1637 spricht die Synode von Alençon Amyraut ihr Vertrauen aus, und wenn auch auf der Synode von Charenton neue Anklagen gegen ihn erhoben werden, so hat das keine Folgen und der Streit legt sich allmählich.
Die Mäßigung, die Toleranz und die geistige Aufgeschlossenheit Amyrauts haben der reformierten Theologie eine Erneuerung gebracht.
Sein Werk ist umfangreich und verleiht ihm große Berühmtheit
Seine Schriften erstrecken sich über viele Bereiche : zunächst die Theologie, dann auch die Moral, die Exegese und sogar die Politik. Besonders zu nennen ist ‚La morale chrétienne’, 6 Bände, Saumur 1652-1660.