Eine offene, vielseitige Vision von Welt, Menschheit und den Schönheiten der Schöpfung
Den Humanismus kennzeichnet seine große Kreativität und Überschwänglichkeit in der Welt der Künste und Literatur, die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse, eine neue Lesart der griechisch-lateinischen Texte sowie tiefgreifende Überlegungen zur Staatskunst und darüber, was eine moderne und offene Bildung ermöglicht.
Die Humanisten sind Maler, Architekten, Philosophen, Philologen, Wissenschaftler, Reisende; alle wissenschaftlichen Ausgaben der Schriften der Antike (Pythagoras, Euklid, Archimedes, Platon, Aristoteles, Ovids Metamorphosen, Vergil, Titus Livius, Tacitus) und die Bücher der Bibel werden zu Quellen, die ihren Horizont erweitern und Erfindungsreichtum vergrößern.
Zur Ermöglichung wissenschaftlicher Initiativen nutzten die Humanisten rationale Methoden. Dies gilt für den Umgang mit der Perspektive in der Malerei, die zu einem frischen Ansatz bei der Landschaftsmalerei führt, aber auch für die Entwicklung der Geometrie und ihre Verwendung in der Architektur, unter anderem. Auch geht es um eine anspruchsvolle Reflektion zur Machtausübung (welches sind die Bedingungen? Wie ist eine Staatsraison zu definieren?).
Begünstigt wurde die Verbreitung der humanistischen Schriften nicht zuletzt durch die Entdeckung des Buchdrucks (1450).
Der Humanismus erblüht zunächst in Italien, insbesondere in Venedig und Florenz, um sich in ganz Europa zu entwickeln
Dank der Medici – Bankiers und Mäzenen von Kunst, Architektur und Wissenschaften – erfährt der Humanismus in Florenz seinen Aufstieg:
- Cosimo der Alte (1389-1464) gründet die Platonische Akademie;
- Der gewandte Staatsmann Lorenzo der Prächtige (1449-1492) fördert zahlreiche Maler.
Die humanistische Bewegung verbreitet sich rasch über Europa hinweg:
- Seit Ende des 15. Jahrhunderts ist in den Niederlanden eine starke intellektuelle Aktivität zu verzeichnen. Erasmus von Rotterdam (1450-1537) ist einer der Hauptakteure.
- In Frankreich ist Franz I. (1494-1547) für den Humanismus besonders sensibilisiert. Die Gelehrten wie Guillaume Budé (1467-1540), die ihn umgeben, drängen ihn, eine von der Sorbonne unabhängige Bildungsstätte zu gründen: So entstehen die ersten sechs Lehrstühle des Collège de France, allein drei für die hebräische Sprache. Das Edikt von Villers-Cotterêts (1539) legt fest, dass die Gebrauchssprache für königliche Verordnungen, Gerichtsurteile und Personenstandsurkunden von nun an das Französische ist, was dessen Entwicklung eine entscheidende Bedeutung gibt.
- Thomas More (1478-1535), Tyndale (1494-1536) und etwas später Shakespeare (1564-1616) spielen, neben anderen, in England eine bedeutende Rolle.
Der Humanismus begünstigt die Entwicklung der Reformation
Die Kühnheit Luthers und seine in der Kirche begonnene Verbreitung der Reformation sind ohne das humanistische Umfeld und die nunmehr denkbaren Horizonte kaum vorstellbar.
Bibelübersetzungen aus den Quelltexten in die Volkssprachen Deutsch, Französisch oder Englisch wurden durch die an diesen Texten bereits durchgeführten Arbeiten der Humanisten erst möglich. Die Übersetzungen gewährten dann einen erweiterten, direkten Zugang zu den biblischen Texten, die dank dieser Eröffnung die Erörterung gewisser politischer Aspekte der Kirchenherrschaft erstmals ermöglichte.
In Frankreich verbreiten Humanisten, Dichter und Literaten die Ideen Luthers, die unter anderem aus Deutschland gekommene, unbeirrbare Mönche eingeführt hatten.
Am Collège de Montaigu in Orléans sowie in Bourges erhält indessen Calvin eine vom Humanismus geprägte rechts- und geisteswissenschaftliche Ausbildung. Zu seinen Freunden gehörten zahlreiche Humanisten wie Guillaume Budé und vor allem Théodore de Bèze.
Die humanistische Bibliothek von Sélestat (Bibliothèque humaniste de Sélestat) umfasst eine große Anzahl an Bänden (einschließlich Manuskripte Bucers und Zwinglis) mit Bezug auf die Verbindungen zwischen Humanismus und Reformation.