Frauen im Pfarramt
Wie alle französischen Bürger entgehen auch die Pastoren nicht der allgemeinen Mobilmachung. Sie sind gezwungen, ihre Gemeindestelle aufzugeben, und nicht mehr in der Lage, den religiösen Dienst in ihrer Gemeinde zu versehen. Darum geben sie einige Verpflichtungen an ihre Ehefrauen ab. Am 3. Dezember 1914 richtet der nationale Bund der Evangelischen Reformierten Kirchen Frankreichs ein Schreiben an alle Pfarrersfrauen, in dem er sie auffordert, die Verpflichtungen ihrer Ehemänner zu übernehmen. So ist die Mobilmachung der Pfarrersfrauen während des Krieges nicht nur dem Willen von einzelnen Personen geschuldet, sondern geht auch von den religiösen Instanzen aus.
In Abwesenheit der Pfarrer sind ihre Ehefrauen damit beauftragt, „die Gemeindeglieder zu besuchen, sich um die Kranken zu kümmern, auch um die Sonntags-und Donnerstagsschulen, die Gottesdienstorte reinzuhalten, die Register zu ordnen (…) und die Ordnung, Einigkeit und das Leben innerhalb der protestantischen Gemeinde zu fördern“.
Jedoch handelt es sich hierbei um Aufgaben, die schon traditionell von den Pastoren auf ihre Ehefrauen übertragen wurden.
Doch ergreifen einige von ihnen persönliche Initiativen, um das Leben der Gemeinde aufrechtzuerhalten. Sie leiten mutig die Gottesdienste, nehmen Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen der Gläubigen vor und sammeln auch die Beiträge der Gemeindeglieder ein.
Ihre Handlungsfreiheit bleibt jedoch begrenzt, denn gewisse religiöse Vorrechte bleiben dem männlichen Geschlecht vorbehalten, beispielsweise das Austeilen des Abendmahls.
Die Rolle der Pfarrersfrauen während des Ersten Weltkrieges war also beachtlich, umso mehr als sie sich nicht darauf beschränkten, die Verpflichtungen ihrer mobilisierten Gatten zu erfüllen. „Die Aufgabe ist manchmal schwer, denn man muss alles unter einen Hut bringen, die Familie und die Kirche, das Innen und Außen“, gesteht Ende 1916 eine Mutter Marguerite Witt-Schlumberger anlässlich einer großen, von protestantischen Zeitungen organisierten soziologischen Untersuchung.
Marguerite de Witt-Schlumberger, eine kämpferische Protestantin
Abgesehen von den Pfarrersfrauen haben auch andere protestantische Frauen eine beachtliche Rolle während des Krieges gespielt, darunter Marguerite de Witt-Schlumberger (1853-1924), die sich politisch betätigt und ihrer Stimme Gehör verschafft.
Als junge protestantische Frau verlässt sie im Jahre 1876 die Normandie, wo sie geboren wurde, um ihrem Mann ins Elsass zu folgen, damals eine deutsche Provinz. Sie ziehen sechs Kinder groß, die das Elsass nach und nach vor dem Krieg verlassen. Danach kehren sie und ihr Mann in die Normandie zurück, wo sie, als der Krieg ausbricht, engagiert mehrere Projekte auf die Beine stellt.
Das erste besteht darin, einen Verein zu gründen, der den elsässisch-lothringischen Flüchtlingen und Evakuierten zu Hilfe kommt. Als angeheiratete Elsässerin ist Marguerite nämlich empört, dass die Belgier und Nordfranzosen in den alliierten Ländern einen Flüchtlingsstatus erhalten, während die Elsass-Lothringer darauf kein Recht haben, da sie eine deutsche Provinz bewohnen… Marguerite protestiert, kämpft und bekommt Recht.
Ihr zweiter und wichtigster Kampf war die Eröffnung von Heimen für Soldaten auf Urlaub. Ein Ort der Entspannung, gemütlich, ohne Alkohol in einem konfessionell und politisch neutralen Ambiente. Das Ziel dieser Heime ist vor allem gegen die verheerenden Schäden des Alkoholismus bei den Soldaten anzukämpfen. Sie beschließt, weiter zu gehen, und bringt den Staat dazu, dass er sich dieser Frage annimmt. Bis zum Ende des Krieges zeichnet sie noch für zahlreiche Aktionen verantwortlich.
Letztendlich hat die Rolle der Protestantinnen während des Ersten Weltkrieges keinen unmittelbaren Einfluss auf die Stellung der Frau in der französischen Gesellschaft gehabt. Obwohl die Frauen eine gewisse Freiheit in Abwesenheit ihrer Männer erprobt haben, führt das Ende des Krieges zu einem allgemeinen Status quo ante zurück, in dem die Frau wieder ihre traditionelle Rolle einnimmt.
Doch einige Frauen wollen, nachdem sie die Unabhängigkeit während des Krieges erlebt haben, nicht in die alte Rolle zurückfallen. In der Auseinandersetzung mit ihren Ehemännern wählen sie eine radikale Lösung: die Scheidung. Der Beitrag der Frauen zu den Kriegsanstrengungen zwischen 1914 und 1918 wird nicht im Verhältnis zum geleisteten Einsatz belohnt.
Erst am Ende des Zeiten Weltkrieges tun die Rechte der Frauen einen echten „Sprung nach vorne“: das Wahlrecht, das ihnen die 1920er und 1930er Jahre über mehrmals vom Senat verweigert worden war, wird ihnen schließlich 1944 gewährt.
Autor: Margaux Colombel, Mylena Boudehane et Naomi Rosa