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Die protestantischen Intellektuellen im Angesicht des Ersten Weltkrieges

Zu Beginn des Krieges teilen die protestantischen Intellektuellen pazifistische Werte. Durch die Beschäftigung mit den politischen und religiösen Fragen, die der Erste Weltkrieg aufwirft, gelangen sie zu einer neuen Auffassung des Ersten Weltkrieges.

Eine Gruppe Pazifisten

Charles Gide (1847-1932)
Charles Gide (1847-1932) © Wikimedia commons

Für die protestantischen Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Verbundenheit mit einem gemäßigten oder radikalen Pazifismus kennzeichnend. Sie sind gegen den Kriegseintritt gegen das deutsche Volk, mit dem sie denselben protestantischen Glauben teilen. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ erlangt in den Augen der Intellektuellen große Bedeutung.

Aber die protestantischen Intellektuellen befinden sich in einem Zwiespalt zwischen auf der einen Seite ihrer Opposition gegenüber dem deutschen Militarismus, der in ihren Augen den Krieg legitimiert, und auf der anderen dem Gefühl einer religiösen Gemeinsamkeit mit dem verfeindeten Volk.

Gesetz Gottes oder Gesetz der Nation?

Soldat lisant dans une tranchée (1915)
© Collection privée

Unfähig, zwischen Patriotismus und Religion zu wählen, beschließen die Intellektuellen, an den Kriegsanstrengungen teilzunehmen, an der Front oder im Hinterland, und dabei doch ihre religiöse Integrität zu bewahren.  Alle handeln „nach ihrem eigenen Gesetz“.

Charles Gide (1847-1932), Universitätsprofessor in politischer Ökonomie, ist zu alt, um 1914 eingezogen zu werden, im Gegensatz zu seinen beiden Söhnen. Sein älterer Sohn Paul fällt 1915 für Frankreich und sein jüngerer Sohn Edouard kommt schwer verwundet zurück.

In den Augen von C. Gide muss jeder seinen geistlichen Weg finden, dabei Patriot bleiben und mit seinen persönlichen Werten im Reinen sein.

Jules Puech (1873-1957), promovierter Jurist und stellvertretender Sekretär der Redaktion der Zeitschrift La Paix par le droit (Frieden durch Recht), verpflichtet sich 1915 freiwillig für die Infanterie. Ihm zufolge führt die Entfremdung von Gott, zusammen mit einem Schwinden des patriotischen Gefühls, zur Stärkung der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Der von André Chamson 1925 veröffentlichte Roman mit dem Titel Roux, le bandit (deutsch unter dem Titel: Der nicht mit den anderen ging) stellt einen Bergbauern vor, der sich „dem allgemeinen Gesetz verweigert, um dem zu folgen, was für ihn das göttliche Gesetz ist“. Roux‘s Meinung nach gilt das Gesetz einer religiösen Lebensweise und dieses steht über dem Gesetz des Landes; nichtsdestoweniger ist das oberste Ziel aller Intellektuellen, eine starke Bindung und Einheit zu bewahren.

Sich in andere hineinversetzen

Verstehen, handeln, dieselben Kriegsanstrengungen spüren wie das Volk ist in den Augen einiger Intellektueller wesentlich. Ebenso ist es für sie unvorstellbar, über den Krieg zu sprechen, ohne ihn selbst erlebt zu haben. Jules Puech und Jean Norton Cru (1879-1949) wissen darüber Bescheid. Als Kriegsteilnehmer der französischen Nation kommen sie mit einer anderen Erfahrung und anderen Überlegungen von der Front zurück als ihre in Paris verbliebenen Kollegen. Dazu gehört, sich nützlich zu fühlen, von den gemeinsamen Anstrengungen mit den Kameraden motiviert zu werden, auch wenn man nicht der beste ist; seinen Kameraden beizustehen und zu helfen (zum Beispiel an die Angehörigen schreiben oder Informationen bei den Vorgesetzten einholen …). J.N. Cru wird von „Empathie“ mit seinen Kameraden in den Anstrengungen sprechen. Damit jeder den Krieg aushalten kann, ist Achtung ein grundlegender Wert.

Jules Puech wie auch Jean Norton Cru erinnern daran, wie wichtig es ist, die von so verschiedenen, doch in den Schützengräben vereinten Menschen erlebte Geschichte weiterzuerzählen.

Sich wandelnde Auffassungen vom Krieg

Le Semeur - extrait (1918)
© Collection privée

Seit dem Ruf an die Front 1914 sind die Männer mit dem Ziel eingezogen worden, das militaristische Deutschland zu besiegen. Jeder geht mit seinem „Hass auf den Feind“ los, aber kommt mit einem völlig anderen Bild zurück.

Die deutsche militaristische Nation, von der man sicher war, dass sie den Krieg verursacht hatte, scheint nicht mehr die einzig Schuldige am Ausbruch des Konflikts zu sein. Der Begriff des Patriotismus, der niemals so in Frage gestellt worden war, wird überdacht. Jules Puech spricht zum Beispiel von der Absurdität eines Krieges wegen „vier oder fünf paar Idioten und Banditen, die Millionen Menschen ein Jahr ihres Lebens verlieren lassen, wenn sie ihnen nicht gar das Leben nehmen“.

Man wünscht sich den Sieg und den Frieden so früh wie möglich, doch die Intellektuellen stellen fest, dass das Ideal des Sieges komplex ist, denn die Propaganda spiegelt keineswegs die Wirklichkeit des Krieges wider. Die Menschen sind ausgelaugt, sowohl körperlich als auch  psychisch, und  die von ihrem Land verteidigte Sache stellt sie nicht mehr zufrieden.

Leben in der „Mobilmachung, der Grausamkeit und dem Patriotismus“ lässt sie erkennen, dass sie „betrogen“ wurden.

Der Krieg verändert die Menschen und die Menschen verändern den Krieg durch ihre ständigen persönlichen Überlegungen und besonders durch ihre Handlungen.

Autor: Éloïse Bosq et Océane Guével

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Bibliographie

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